Das Leben, Kämpfen und Wirken von Christine Schröder ist bis heute ein Beispiel für uns alle, aber vor allem für jüngere Menschen.
Nuray Boyraz - Soziale Liste BochumWeiterlesen:
† 02.02.1980 in
Staatsangehörigkeit bei Geburt: Deutsch
Staatsangehörigkeit bei Tod: Deutsch
Franz Schröder
* 10.02.1898† 17.04.1977
Josef "Menne" Schröder
* 02.06.1919† 1990
Ort des Kampfes für Menschenrechte: Bochum
Bereich | Art | Von | Bis | Ort |
---|---|---|---|---|
Zementfabrik | Arbeiterin | |||
KPD
Ort: BochumEintrittsgrund: politische Überzeugung
Funktion / Tätigkeit: nach dem Krieg Stadtverordnete bis zum Parteiverbot 1956
VVN
Ort: BochumEintrittsgrund: Faschismus und Krieg darf sich nie wiederholen, Wiedergutmachung
Funktion / Tätigkeit: 1947-1952 stellvertretene Vorsitzende, 1952-1966 Vorsitzende VVN Bochum
DKP
Ort: BochumEintrittsgrund: politische Überzeugung
Funktion / Tätigkeit: Mitbegründerin DKP Bochum
Leitmotiv
Wie wurde die Geschichte bekannt?
Durch Publikationen
Wo wurde die Geschichte bekannt?
Bochum
Durch wen wurde die Geschichte bekannt?
Günter Gleising und Klaus Kunold
Literatur (Literatur, Filme, Webseiten etc.)
Die VVN zwischen Kontinuität des Widerstandes gegen Hitler und Neuorientierung des Antifaschismus, Entnazifizierung, Restauration, Kalter Krieg, Neofaschismus und Entspannungspolitik. Bochum und Wattenscheid 1945 – 1972. Günter Gleising unter Mitarbeit von Klaus Kunold, Ruhr Echo Verlag, 2008, ISBN: 978-3-931999-13-1
Wider das Vergessen, Widerstand und Verfolgung Bochumer Frauen und Zwangsarbeiterinnen 1933-1945. Buchreihe Zeitzeugen – Zeitdokumente. Band 18. Hrsg. v. Karin Finkbohner, Betti Helbing, Carola Horn, Anika Krämer, Astrid Schmidt-Ritter, Kathy Vowe, Projektgruppe “Wider das Vergessen” im Frauenverband Courage e.V., Europäischer Universitätsverlag, ISBN 9783932329586, S. 33-38.
“Christine Schröder – ein Portrait”, antifaschistische Bochumer Blätter, Nr 1/2016, Seite 8.
Verbot von Folter oder grausamer, unmenschlicher Behandlung
Verbot der willkürlichen Verhaftung oder Ausweisung
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
Recht auf bezahlte Arbeit, gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit
Anspruch auf ausreichende Lebenshaltung, auf Sicherheit bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität, Verwitwung und Alter, Schutz für Mütter und Kinder
Recht auf Wahrheit
EINLEITUNG
Christine Schröder war eine Bochumer Kommunistin, Antifaschistin und Sozialpolitikerin. Wegen ihres Widerstands gegen das Nazi-Unrechtsregime wurde sie mehrfach inhaftiert und schwer mißhandelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sie sich intensiv für Erinnerung, weitestmögliche Aufarbeitung der Gräueltaten und Wiedergutmachung ein.
DIE GESCHICHTE
Christine Schröder (1900-1980)
Widerstandskämpferin gegen das Nazi-Unrechtsregime in Bochum
Christine Schröder geborene Giboni wurde im Jahr 1900 als Kind einer Bochumer Arbeiterfamilie geboren. So musste auch sie bereits in jungen Jahren als Arbeiterin harte körperliche Arbeit in einer Zementfabrik leisten.
Mit neunzehn Jahren heiratete sie den Bergmann Franz Schröder. Das Paar bekam einen Sohn (Josef “Menne” Schröder) und lebte in einem Bochumer Arbeiterviertel – einem der sogenannten “roten Viertel” – mit Sicht auf die Hochöfen und in Hörweite der Schmiedehämmer des Bochumer Vereins (1). Schon früh nahm sie regelmässig an Kundgebungen und Demonstrationen für die Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern teil. Ihr Mann begründete ein Jahr nach der Hochzeit die Bochumer KPD, der Christine Schröder dann 1928 beitrat. Intensiv kämpfte das Paar gegen den aufkommenden Faschismus. So nahm Christine Schröder zusammen mit vielen Tausenden Bochumerinnen und Bochumern am 20. Juli 1932 auf dem damaligen Moltkeplatz (2) an einer Demonstration gegen den Staatsstreich in Preussen (3) teil.
Bereits kurz nach der sogenannten Machtübernahme der Nazis wurde Christine Schröder aufgrund ihrer politischen Tätigkeit im Sommer 1933 für 27 Tage im Polizeigefängnis Bochum inhaftiert (4).
Im April 1934 folgte die nächste Verhaftung durch die SS (5). Nach ihrer Freilassung im Mai 1934 kämpfte Christine Schröder weiterhin im antifaschistischen Widerstand. Hier hielt sie vor allem Kontakt zu den Widerstandskämpferinnen und -kämpfern des Bochumer Vereins und übernahm Kurierdienste.
Noch im selben Jahr (1934) kam es nach Aufdeckung einer Widerstandsgruppe im Ruhrgebiet zu einer großen Verhaftungswelle in Herne, Bochum, Wattenscheid und Essen durch die Gestapo. In diesem Rahmen wurde auch Christine Schröder unter dem Vorwurf “Vorbereitung zum Hochverrat” erneut verhaftet. Viele Mitglieder der Widerstandsgruppe wurden brutal misshandelt und gefoltert. Karl Springer, der Kopf der Gruppe, wurde im Bochumer Polizeigefängnis von den Nazis erschlagen. Auch Christine Schröder wurde während ihrer Haft schwer misshandelt, durch brutale Tritte im Unterleib erlitt sie dauerhafte Schäden und war fortan unfruchtbar.
Nach circa zweieinhalb Jahren Schutz- und Untersuchungshaft erfolgte die Verurteilung am 10. April 1937. Christine Schröder wurde zunächst in Hamm und später im Frauenzuchthaus Ziegenhain inhaftiert. (6)
Trotz der Misshandlungen und der langen Haftzeit nahm sie nach ihrer Entlassung am 7. April 1938 den Kampf gegen den Faschismus wieder auf.
Nach einem Bombenangriff am 26. Juni 1943 wurde Familie Schröder nach Bayern in den Landkreis Bamberg evakuiert. Ihr Sohn Josef befand sich mittlerweile als Soldat in Kriegsgefangenschaft, aus der er im Sommer 1945 zurückkehrte. Die Familie konnte erst im Jahr 1947 wieder nach Bochum zurückkehren.
Unmittelbar nach der Rückkehr nahm Christine Schröder ihre politische Arbeit in der KPD wieder auf, und sie vertrat
Auch wurde sie bereits 1947 in der kurz zuvor gegründeten Bochumer VVN aktiv (7) und wurde noch im selben Jahr stellvertretende Vorsitzende und dann von 1952 bis 1966 erste Vorsitzende des VVN Bochum (später VVN-BdA).Unermüdlich setzte sie sich für die Wiedergutmachung für die vom Nazi-Regime Verfolgten ein und half diesen Menschen beim Schreiben der Wiedergutmachungsanträge. Als wichtige Zeitzeugin gab sie ihre Erfahrungen und Erlebnisse mit dem Faschismus an Jugendliche weiter. Aber auch für ihre eigene Wiedergutmachung kämpfte sie ein Leben lang, litt sie doch durch die Folter und Misshandlungen unter dauerhaften Unterleibs- und Kopfschmerzen.
In der im Staatsarchiv Münster aufbewahrten Entschädigungsakte (Reg. Bezirk Arnsberg Nr. 23192) heißt es: “Es wird heute als unglaubwürdig angenommen, dass überhaupt Männer in der damaligen Zeit sich Frauen gegenüber so brutal benommen haben können. Von den wirklichen Verbrechern will man heute nichts mehr wissen, weil man sie damals gedeckt hat. (…) Ich lege Beschwerde gegen Ihre Rentenfestsetzung nicht nur der Versorgung wegen ein, sondern über die Art und Weise, wie man uns heute einschätzt und behandelt.”
Mehrfach betonte Christine Schröder auch die seelischen Folgen von Haft, Folter und Verfolgung, was in den medizinischen Gutachten bis Ende der 1960iger Jahre keinerlei Berücksichtigung fand.
Trotz schwerer Herzerkrankung (sie erlitt mehrere Herzinfarkte) blieb die als herzlich und lebenslustig beschriebene Christine Schröder bis kurz vor ihrem Tod politisch interessiert und aktiv. 1978 wurde ihr die Ehrenmedaille des deutschen Widerstandes verliehen. Christine Schröder verstarb kurz nach ihrem achtzigsten Geburtstag am 2. Februar 1980.
Einem Antrag der Sozialen Liste Bochum im Jahr 2010, eine Straße in Bochum nach Christine Schröder zu benennen, wurde nicht stattgegeben.
Autorin: Daniela Collette
Foto: Das Bild wurde mit freundlicher Hilfe zur Verfügung gestellt von Günter Gleisig, VVN-BdA Bochum, Soziale Liste Bochum