Indigene Bevölkerung im Abseits

Guatemala

Das Bild hat sich gewandelt. Galten zentralamerikanischen Staate in den 1980er Jahren auf Grund ihrer sozialen Konflikte, im ‚Kalten Krieg‘ in Stellvertreterkriegen instrumentalisiert, als zentrale Krisenherde der internationalen Beziehungen, so werden El Salvador, Nicaragua und Guatemala seit den 1990er gemeinhin als Beispiele erfolgreicher internationaler Konfliktbeendigung gesehen. Hinsichtlich Guatemala ist der Erfolg jedoch nur vordergründig. Die zentralen sozialen Unterschiede und gesellschaftlichen Spannungen, die zu Beginn der 1960er Jahre zur Formierung der linksgerichteten Guerilla geführt und ihren Rückhalt vor allem bei der indigenen Bevölkerung begründet hatten, sind nicht geringer geworden bzw. aufgelöst.

Guatemala, einer der sechs relativ kleinen mittelamerikanischen Staaten, grenzt im Norden an Mexiko, im Westen an Belize und Honduras und im Süden an El Salvador. Reist man in das Land, das mit knapp 108 000 km² ca. die Größe der ehemaligen DDR umfasst, aus Mexiko kommend auf dem Landweg ein, so ist man sofort von wesentlich größerer Armut umgeben, ein deutliches Wohlstandsgefälle ist augenfällig, obwohl der Reisende bereits bei Durchquerung der mexikanischen Bundesstaaten Oaxaca und Chiapas Zeuge allgegenwärtigen Mangels werden musste. Die Einwohnerzahl des Landes wird auf rund 16 Mio. geschätzt, etwa drei Mio. Menschen konzentrieren sich in der Hauptstadt Guatemala-City, die auf Grund der anhaltenden Landflucht weiterhin rapide wächst. Ungefähr ein Drittel der Gesellschaft sind Nachkommen europäischer Einwanderer. Knapp zwei Drittel gehören der heterogenen Gruppe der Maya-Bevölkerung mit 20 verschiedenen indigenen Sprachen an, die zwischen den einzelnen Gruppierungen oftmals nicht verstanden werden.

Noch im Jahr 2005, neun Jahre nach Ende des sechsunddreißig Jahre dauernden Bürgerkrieges, gingen Schätzungen von einer Analphabetenquote von mindestens 40 Prozent aus. Vor allem in ländlichen Regionen erhielten 30 bis 40 Prozent der Kinder keine Chance, eine Grundschulausbildung zu absolvieren, somit war auch hinsichtlich der Folgegeneration von keinem nennenswerten Rückgang der Quote auszugehen. Inzwischen sind allerdings bemerkenswerte Fortschritte erzielt worden. Bereits für das Jahr 2012 konnte die Weltbank von einem Alphabetisierungsgrad von 93,7 Prozent bei der Altersgruppe der 15 bis 24- Jährigen berichten. Dennoch zeigte sich 2016, 20 Jahre nach Kriegsende, ein ambivalentes Bild. Zwar verfügt Guatemala inzwischen über die stärkste Volkswirtschaft in Zentralamerika und kann mit dem stärksten Wirtschaftswachstum in Lateinamerika aufwarten[1], jedoch partizipieren an dieser Entwicklung längst nicht alle. Die soziale und ökonomische Ungleichheit ist so groß wie in kaum einem anderen lateinamerikanischen Land; zwar gelang es, extreme Armut, Unterernährung und Kindersterblichkeit geringfügig zurückzudrängen, weisen vor allem in ländlichen Regionen mit indigener Bevölkerungsmehr selbst im lateinamerikanischen Vergleich besorgniserregende Werte auf.[2] Folgt man offiziellen Zahlen, stieg die Quote der in Armut Lebenden zwischen 2006 und 2014 von 51 auf 59,3 Prozent; von Armut am stärksten betroffen ist ein weiteres Mal die indigene Bevölkerung, die während des 36 Jahre dauernden internen Konfliktes – vor allem unter General Efraín Ríos Montt – planmäßigem Genozid ausgesetzt war.

Entwicklungslinien

Der Unabhängigkeit Guatemalas 1823 folgte eine Reihe diktatorischer Regime, unter denen die 22-jährige Herrschaft (1898-1920) Manuel Estrada Carberas sowie die Diktatur (1931-1944) General Jorge Ubicos hinsichtlich der Menschenrechtssituation im Lande in negativer Hinsicht hervortreten. Wirtschaftliche und industrielle Modernisierung bei wachsender sozialer Ungleichheit – vor allem zu Lasten der Maya-Bevölkerung – kennzeichnen vor allem die letzten Jahre der Herrschaft Carberas, der „gefürchtete und gehasste“ Tyrann Ubico[3], der die indigene Bevölkerung zu Zwangsarbeit im Straßenbau verpflichtete. Ubico gewährte den USA weitreichende Konzessionen auf militärischer und wirtschaftlicher Ebene, so auch der United Fruit Company; die Verteilung fruchtbaren Landes wurde auf diese Weise weiter zu Lasten der indigenen Bevölkerung vorangetrieben, die angespannte soziale Lage verschärfte sich zusehends. Eine weitgehend gewaltfreie Revolution führte schließlich zu seinem Sturz, 1944 musste Ubico das Land verlassen und starb zwei Jahre später in den USA.[4] In Folge demokratischer Wahlen erlebte das Land während der Präsidentschaft des links-reformerischen Präsidenten Juan José Arévalo (1904 – 1990) eine – kurze – Phase der Freiheit (1945-1951), Guatemala wurde Zufluchtsort Vertriebener aus ganz Lateinamerika. Der promovierte Philosoph Arévalo, mit dem erstmals in der Geschichte des Landes die organisierte Arbeiterschaft eine gewichtige Rolle spielte, stieß weitreichende soziale Reformen an, seine Administration etablierte ein System sozialer Absicherung, Bildungs- und Gesundheitsprogramme, garantierte Rede- und Pressefreiheit und weigerte sich, die Regierungen Francos in Spanien, Rafael Trujillos der Dominikanischen Republik oder Anastasio Somozas in Nicaragua anzuerkennen.[5] Arévalo ist Autor des Buches The Shark and the Sardines (1961), in dem er die Dominanz der USA in Lateinamerika kritisierte.[6]

Eine weitreichende Agrarreform stand im Zentrum der Amtszeit (1951-1954) des gewählten Nachfolgers Jacobo Arbenz (1913-1973), der an der Seite linksgerichteter Offiziere am Sturz Ubicos beteiligt war und alsdann in der Regierung Arévalos das Amt des Verteidigungsministers innehatte. Als Präsident hatte er die Armee hinter sich und wurde von Linksparteien – inklusive der kommunistischen Partei – unterstützt.

Die Pläne zu einer umfassenden Agrarreform brachten ihn jedoch in Konflikt mit Großgrundbesitzern, allen voran mit der United Fruit Company, inzwischen dem größten Landeigner in Guatemala: Dieser Umstand und die Furcht, Investitionen und Anleihen zu verlieren, vor allem jedoch später als unsubstantiiert erwiesene CIA-Berichte über eine Unterstützung der guatemaltekischen Regierung durch den Ostblock, veranlassten die US-Regierung, von Honduras und El Salvador aus operierende konterrevolutionäre Kräfte zu unterstützen.[7] Nachdem die Armee sich geweigert hatte, für die Regierung Arbenz zu kämpfen, war sie am 27.06.1954 gezwungen zu resignieren. Castillo Armas, Anführer der konterrevolutionären Armee übernahm das Präsidentenamt. Während Armas die meisten Reformen zurücknahm, wurde Arbenz ins Exil gezwungen. Nach mehreren Stationen wurde er 1971 tot in seiner Badewanne im mexikanischen Exil gefunden.[8]

Der Putsch Armas ist Auftakt zu einer Phase wachsender Spannungen, eines 34 Jahre währenden Bürgerkrieges, der bis zu systematischem Völkermord eskalieren sollte und einer bis heute – knapp 20 Jahre nach Ende des bewaffneten Konfliktes – andauernden Periode der Unruhe: Grundlegende, seinerzeit konfliktauslösende wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Probleme konnten bislang keiner dauerhaft tragfähigen Lösung zugeführt werden.

Bürgerkrieg 1960-1996

Auslösend für die bewaffneten Konflikte in Nicaragua, El Salvador und Guatemala waren jeweils Umwälzungen in den Agrarstrukturen zu Ungunsten der kleinbäuerlichen Bevölkerung, wodurch u.a. die Struktur der lokalen und regionalen Märkte zerstört wurde. Die Möglichkeit des Austausches regionaler bäuerlicher Produkte und anderer Erzeugnisse entfiel, ohne dass in anderen Wirtschaftsbereichen Alternativen entstanden. Die Mehrheit der Guatemalteken, allen voran der Maya sind Bauern und auf ein Stück fruchtbaren Bodens angewiesen, um zu überleben. Durch diese Verschärfung der in allen drei Ländern ohnehin gegebenen sozialen und kulturellen Ungleichheit sowie durch zunehmende staatliche Repression – in Guatemala nach dem Putsch gegen die Regierung Arbenz –, die keinerlei politische Partizipationsmöglichkeiten oder Opposition zuließ und die sich zur Regulierung sozialer Spannungen zunehmend staatlicher Gewalt bediente, begünstigte in allen drei Ländern die Entstehung gegen die Regime positionierter linker Bündnisse und schufen im ländlichen Raum großes Rekrutierungspotenzial. Dieses Potenzial erstreckte sich in Guatemala auch auf die indigene Bevölkerungsmehrheit, die in besonderem Maße Rassismus, Diskriminierung und gesellschaftlicher Exklusion unterworfen waren und zum Teil immer noch sind.[9]

Der Erfolg der kubanischen Revolution (1959) gab den aufständischen Gruppierungen Zentralamerikas zunächst freilich Rückenwind, wobei sie, ebenso wie ihre staatlichen und paramilitärischen Opponenten, alsbald als Spielball der Kräfte des Kalten Krieges instrumentalisiert werden sollten. Obgleich die regionalen Ausgangspositionen der sozialen Ungleichheit, Repression und Diskriminierung virulent bleiben, so sind die Bürgerkriegsparteien stets auch Spielfiguren im Ost-Westkonflikt.

1963 übernahm das Militär die Macht. Nicht mehr ein Präsident, der durch demokratische Legitimation mit Unterstützung der Armee an die Macht gekommen war, die Armee selbst übernahm nun die alleinige Macht im Land, das sie glaubte, in der Auseinandersetzung mit den Aufständischen führen zu müssen.[10] Eine erste Phase des Terrors und der Unsicherheit eskalierte 1966, als 28 Führer der kommunistischen Partei von der Armee verschleppt und getötet wurden. 1979 gelang es den Aufständischen, mit Unterstützung aus Kuba und Nicaragua Geländegewinne im Nordwesten des Landes zu erzielen, wo sie auf breiten Rückhalt bei der indigenen Bevölkerung fanden.

Als ein Sieg der Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca (URNG) immer wahrscheinlicher wurde, ging das Militärregime zu einer Politik der verbrannten Erde über. Terror, Einschüchterung, systematische Unterdrückung und Verfolgung jeglicher Opposition und Menschenrechtsgruppen verschärften sich ab 1979 massiv. Als subversiv galt jede nicht regierungskonforme Gruppierung, die lediglich den Begriff der ‚sozialen Gerechtigkeit‘ zu erwähnen wagte.[11] Die Praxis des gewaltsamen ‚Verschwindenlassens‘ missliebiger Personen oder (vermeintlicher) Unterstützer der Guerilla, der zwischen 30 000 und 40 000 Menschen zum Opfer fielen, begleitete die gesamte Periode des Bürgerkriegs. Die Militäraktionen ab 1979 zielten generell darauf ab, die tatsächliche oder potenzielle Basis der Aufständischen in der Zivilbevölkerung zu zerstören. In diesem Kontext wurden Dörfer niedergebrannt, Ernten vernichtet, zahlreiche Massaker an der Zivilbevölkerung verübt – eine Eskalation, die schließlich in Genozid, eine durchaus auch rassistisch motivierte systematische Vernichtung der indigenen Bevölkerung mündete. Maya-Dörfer wurden als mögliche Rückzugsräume der Aufständischen systematisch dem Erdboden gleichgemacht, Massaker von äußerster Grausamkeit begangen. Folgt man dem Bericht der Wahrheitskommission, wurden die Bewohner zahlreicher Bezirke geschlossen ermordet, Frauen zuvor vergewaltig, Schwangeren die Bäuche aufgeschnitten, Kleinkinder an Bäumen zerschmettert, während [12]

Im Januar 1980 besetzten Bauern ohne jede Gewaltanwendung das Gebäude der spanischen Botschaft in Guatemala Stadt, um die Weltöffentlichkeit auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam zu machen; sie verlangten, dass die Massaker in den Maya-Siedlungsgebieten ein Ende finden müssten. Wie wenig sich die guatemaltekische Militärdiktatur noch von eventuellen internationalen Reaktionen beeindrucken ließ, zeigt ihre Reaktion. Obwohl der spanische Botschafter seine Zustimmung zu einer Polizeiaktion verweigert hatte, stürmten Einheiten das Gebäude, setzten es in Brand, Botschaftsangehörige kamen ums Leben, der spanische Gesandte selbst entkam nur knapp mit dem Leben.[13]

Die ‚Strategie‘, den Aufständischen den Rückhalt in der Bevölkerung zu nehmen, indem man die Bevölkerung vernichtete, erreichte ihren Höhepunkt zwischen 1981 und 1983 unter der Verantwortung Präsident Efraim Rios Montts, über 100 000 Menschen fielen allein in diesen beiden Jahren den Genozidaktionen des Militärs und der paramilitärischen Einheiten zum Opfer.[14] Nachdem die US-Administration unter Präsident Jimmy Carter Sanktionen gegen Guatemala wegen der fortdauernden Menschenrechtsverletzungen verhängt hatte, konnte Montt im Rahmen der Reagan-Doktrin wieder mit Hilfen aus den USA rechnen. Zwischen 1980 und 1986 stieg gemäß Informationen der NY-Times die ‚Wirtschaftshilfe‘ der USA für das zentralamerikanische Land von 11 Millionen auf 104 Millionen Dollar an, ein Großteil der Gelder wurde im Rahmen ‚kommunistischer Terrorbekämpfung‘ für die Militäraktionen gegen die indigene Bevölkerung verwendet.[15] Obgleich das State-Department über die Massaker informiert war, bezeichnete Ronald Reagan Efrain Rios Montt 1982 noch als „man of great integrity“; auch von der ‚pro-westlichen‘ mexikanischen Seite war für die Maya Guatemalas keine Hilfe zu erwarten.[16]

Die Folge der Eskalation war eine in den frühen 1980er Jahren einsetzende Flüchtlingswelle Hunderttausende flohen vor den Aktionen verbrannter Erde durch Armee und Paramilitärs aus den ländlichen Gebieten, Schätzungen zu Folge waren innerhalb Guatemalas 600.000 bis 1,5 Millionen Menschen auf der Flucht.[17] Viele von ihnen gingen wohl im namenlosen Heer der Armen in den Slums von Guatemala-City auf, ohne Identität und ohne Rechte. Viele von ihnen wurden gefangengenommen und in sogenannten ‚Modelldörfern‘ unter militärischer Bewachung angesiedelt; schlecht ausgerüstet, wurden sie oftmals als menschliche Schutzschilde gegen die Rebellen missbraucht. Etwa 200 000 Menschen flohen über die Grenzen, etwa 150 000 nach Mexiko. Circa 86 Prozent der Geflüchteten waren indigene Bauern.[18] Dennoch zeigte sich, dass die Aufständischen auf Dauer durch Gewaltanwendung nicht besiegt werden konnten.

Versöhnung beinhaltete sowie die Aufforderung an die Regierungen der Region, das jeweilige Territorium nicht zur Destabilisierung der anderen Staaten Mittelamerikas zu nutzen.[21] Wenngleich die Einhaltung der Menschenrechte in der Vereinbarung nicht auftauchte, so war der Vertrag dennoch ein Schritt auf dem Weg zur Deeskalation und Befriedung der Region.

Aufarbeitungsbemühungen

1. Die Wahrheitskommission

Die am 4. Dezember 1996 ratifizierte Waffenstillstandsvereinbarung[22] zwischen der guatemaltekischen Regierung und der Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca (URNG) beendete die über drei Jahrzehnte geführte bewaffnete Auseinandersetzung in dem mittelamerikanischen Land. Den unter Mediation der Vereinten Nationen geschlossenen Vereinbarungen waren zehn Jahre der Verhandlungen vorausgegangen, in deren Verlauf unter der Partizipation von vier Regierungen sukzessive eine Reihe von Einzelabkommen geschlossen wurde. So waren dem Friedensvertrag in Kooperation mit der UN bereits eine Rahmenvereinbarung zur Einhaltung der Menschenrechte (29.03.1994), ein Abkommen zur Neuansiedlung und Wiedereingliederung der etwa 600 000 Vertriebenen und Geflüchteten (17.06.1994) sowie eine Übereinkunft zu den Rechten der indigenen Bevölkerungsmehrheit (31.03.1995) geschlossen worden. Es folgten ein Abkommen zur Regelung der sozioökonomischen Situation und der Problematik der Landverteilung (06.03.1996), ein weiteres zur Stärkung der zivilen Macht und zur Begrenzung des Einflusses der Armee in einer zu etablierenden rechtsstaatlich-demokratischen Gesellschaftsordnung (09.09.1996) und schließlich eine Übereinkunft über Verfassungsänderungen und eine Reform des Wahlsystems (07.12.1996).[23]

Alle Vorvereinbarungen traten mit dem Abschlussabkommen vom 29.12.1996 für einen festen und dauerhaften Frieden (Acuerdo de paz firme y duradera) in Kraft.

Die genannten Teilvereinbarungen waren durch das Abkommen von Oslo vom 23. Juni 1994 ergänzt worden, in dem die Einrichtung einer Wahrheitskommission vereinbart wurde. Die Impulse zur Etablierung einer Kommission zur historischen Wahrheitsfindung (La Comisión para el Esclarecimiento Histórico (CEH))[24] gingen vor allem von zivilgesellschaftlichem Engagement aus; beide Kriegsparteien hatten Menschenrechtsverletzungen zu verantworten und waren an deren Aufklärung nicht interessiert.[25] Man konnte auf die Erfahrung mit ähnlichen Kommissionen in Argentinien, Chile und El Salvador zurückgreifen, wobei Konstellation, gesellschaftlicher, sozialer, politischer Hintergrund, Aufarbeitungsgenstand und Auseinandersetzungsform sowie die zu erreichenden Ziele jede der Kommissionen ein eigenes, singuläres individuelles Instrumentarium darstellt.[26]

Einige Merkmale haben jedoch alle Wahrheitskommissionen gemein; Sie werden, in der Regel überstaatlich in Übergangsphasen von Bürgerkrieg oder Diktatur hin zu einer demokratischen Gesellschaftsordnung mit zeitlich begrenztem Mandat etabliert. Sie orientieren sich an der Vergangenheit, schaffen durch ihre Auswertung von Zeugnissen, Zeitzeugen- und Opfergesprächen bezüglich vorangegangener Kriegsverbrechen und/oder Menschenrechtsverletzungen ein Fundament für künftige Vergangenheitsarbeit, Strafverfolgung und Jurisdiktion, gesellschaftlichen Diskurs, historischen Narrativ. Oftmals ist ein – schwer zu definierender und zu erreichender – Versöhnungsauftrag mit der Arbeit einer Kommission verbunden. In Transitionsprozessen soll somit eine Grundlage zu gesellschaftlicher Aussöhnung geschaffen werden, eine Zäsur gesetzt werden, der Übergang zu Rechtsstaatlichkeit durch Aufarbeitung vergangener Verbrechen erleichtert werden. Hierbei übernehmen Wahrheitskommissionen in der Regel partiell Befugnisse von Anklagebehörden und Gerichtsbarkeit, wobei zumeist die strukturelle Aufdeckung von Verbrechen staatlicher Institutionen, des Militärs oder von Bürgerkriegsparteien, die Zuordnung institutioneller Verantwortung im Mittelpunkt steht. Anschließend ist es in den meisten Fällen der Justiz des jeweiligen Landes vorbehalten, individuelle Schuld oder Unschuld festzustellen. Es ist Aufgabe der Kommissionen, Ursachen, Entwicklungslinien, eines Konflikts zu benennen, seine die Dynamik und eventuelle externe Einflüsse aufzudecken und zu beschreiben, Methode und Systematik von Menschenrechtsverletzungen darzulegen, um Gesellschaft, Justiz und Politik über einen abschließenden Bericht ein Instrumentarium zur Bewältigung und Aufarbeitung in ihrem Übergangsprozess zu einer neuen, friedlichen, die Menschenrechte achtenden Ordnung an die Hand zu geben.

So war es Aufgabe der CEH, deren Ergebnisse nun auch in englischer Übersetzung vorliegen[27], mit größtmöglicher Objektivität, Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit zu klären, nicht zu urteilen. Letzteres sollte auch hier den Gerichten vorbehalten bleiben. Aufzuklären galt es Menschenrechtsverletzungen und Gewaltakte, die in Zusammenhang mit der über drei Jahrzehnte dauernden gewaltsamen Auseinandersetzung begangen worden waren. Wie konnte dieser Konflikt zu solch extremen Formen der Gewalt eskalieren wie den vor allem zu Beginn der 80er Jahre verübten Akten des Völkermordes? Weshalb richtete sich die staatliche Gewalt in solcher Intensität gegen Zivilisten, vor allem Maya, gegen Frauen und Kinder? Immerhin, so das Ergebnis der Kommission, waren staatliche Kräfte einschließlich Armee, Polizei und paramilitärischen Verbänden für 93 Prozent der Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, drei Prozent waren von den URNG-Rebellen verübt worden.[28] Was hatte der Versuch, den Stamm der Xmukane auszulöschen, mit der Abwehr vermeintlicher kommunistischer Bedrohung zu tun? Wie konnte es zu dieser Entgrenzung von Gewalt kommen, zu einer Eskalation, in der fast alle Grundprinzipien menschlicher und christlicher Ethik sowie spiritueller Werte der Maya missachtet wurden?

Die Wahrheitskommission bestand aus drei Mitgliedern. Christian Tomuschat, von 1972 bis 1995 Lehrstuhlinhaber für öffentliches Recht und Völkerrecht an der Universität Bonn, übernahm im Auftrag der Vereinten Nationen die Funktion eines Koordinators der Kommission. Somit war ein Außenstehender, ein ausgewiesener Kenner des Völkerrechts benannt.[29] Ein weiteres Kommissionsmitglied wurde von den Universitäten des Landes vorgeschlagen – die Entscheidung fiel auf den Anwalt Edgar Alfredo Balsells Tojo, der sich zu Zeiten der Diktaturen durch Unbestechlichkeit ausgezeichnet hatte.[30] Ein unbescholtener Bürger sollte die Kommission komplettieren. Mit Otilia Lux de Cotí fiel die Wahl auf eine Indigene, die damit die Gruppe repräsentierte, die am stärksten unter den Menschenrechtsverletzungen zu leiden hatte.[31] Erstmals war eine aus nationalen und internationalen Vertretern bestehende Kommission eingesetzt worden.

Die Menschenrechtsverletzungen, auf die sich die Kommission konzentrierte, umfassten

– außergerichtliche Hinrichtungen, Folter und gewaltsames ‚Verschwindenlassen‘ von Personen, die von den Militärs als Mitglieder oder Unterstützende der Aufständischen betrachtet wurden,

– Angriffe auf die Zivilbevölkerung in Regionen, in denen die Aufständischen aktiv waren; dies bezog sich auch auf Angriffe gegen intern Geflüchtete,

– Zwangsrekrutierungen,

– Straflosigkeit in Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen sowie die

– Generelle Nicht-Achtung sozialer, ökonomischer und kultureller Rechte.[32]

Zunächst war es die Intention der CEH, jedermann Gehör zu geben. Wenngleich zum Teil durch internationales Recht legitimiert, konnten in den über das Land verteilten Anlaufstationen der Kommission erstmals Betroffene vor einer gleichsam staatlichen Institution, in geschütztem Raum, auf der Basis zugesicherter Vertraulichkeit, Erlebtes und Erlittenes mitteilen. Für viele war dies ein erster Schritt, Vertrauen in eine Nachkriegsordnung zu finden. Die CEH hatte über eine landesweite Medienkampagne dazu aufgerufen, Zeugenaussagen zu machen. Wie bereits zuvor in Argentinien und El Salvador gingen tausende Berichte und Hinweise von Institutionen und Einzelpersonen ein. Die Namen der Zeugen wurden geheim gehalten. Wesentliche Grundlage für den Bericht der Kommission, der am 25. Februar 1999 vorgelegt wurde, war eine Quellenbasis von mehr als 8000 Zeugenaussagen.[33]

Im Rahmen der kurzen Zeit des Mandates und der geringen Mitarbeiterzahl konnte eine Skizze der Systematik der Gewaltpolitik und institutioneller Verantwortung nur holzschnittartig ausfallen.

An der Bilanz des Abschlussberichts, der Staatsapparat habe über Jahrzehnte hinweg eine systematische Politik der Verschleppung, des Mordes und der Folter gegen jede Art politischer Opposition betrieben, änderte dies nichts.[34]

Als dieses Ergebnis bei der öffentlichen Vorstellung des Berichts verlesen und auch die Massaker an der indigenen Bevölkerung von der Kommission vor der Öffentlichkeit als Genozid eingestuft wurden, sollen die Zuhörer mit „nicht enden wollenden Ovationen“ [35] reagiert haben.

Wesentliches Ergebnis der Wahrheitskommission ist, dass die vielfach vorgetragene Schutzbehauptung, es habe sich um einen notwendigen Kampf gegen kommunistische Guerillagruppen gehandelt, nicht mehr aufrecht zu halten war.[36] Mit der Arbeit der Kommission ist nachgewiesen und dokumentiert, dass die Armee, einschließlich Polizei und paramilitärischer Kräfte, während des Bürgerkriegs, vor allem unter der Regierung Präsident Montts, einen systematischen Ausrottungskrieg geführt und Völkermord an der indigenen Bevölkerung begangen hatte.[37] Hinter dieses Ergebnis können guatemaltekische Gesellschaft und Politik nicht mehr zurück; über die Arbeit der Kommission sind Kriegsverbrechen und Genozid Teil der Geschichte Guatemalas geworden.[38] Die Resultate der CEH können langfristig Bezugspunkt und nicht unwesentlicher Baustein im Rahmen eines Nation-Building-Prozesses sein, der bereits begonnen hat, indes noch lange nicht abgeschlossen ist.[39]

 

2. CICIG – Kommission gegen Straflosigkeit seit 2006

“The Guatemalan authorities must learn a valuable lesson and leave no stone unturned to ensure all those suspected of criminal responsibility for the thousands of brutal killings and disappearances that took place during the country’s darkest years face the courts. These delays have caused enough suffering. Victims and their relatives have the right to know what happened, see justice done and receive reparations.”[40]

– Erika Guevara Rosas, Amerikas Direktorin Amnesty International

Die Konsequenzen, die die guatemaltekische Politik aus den Ergebnissen der CEH zog, bleiben aus Perspektive der Opfer des Bürgerkrieges oftmals unbefriedigend. Der Empfehlung der Kommission – mehr als solche konnte sie im Rahmen ihres Mandats nicht geben – schwer belastete Militärangehörige zu entlassen, kamen die Regierungen Guatemalas bislang in nur geringem Umfang nach. Festzuhalten ist, dass der Einfluss der alten Eliten in Militär und Verwaltung nach wie vor ungebrochen ist und offizielle Stellen, dies mussten auch schon die Mitarbeiter der CEH feststellen, oftmals Widerstand gegen Aufklärung und Veränderung leisten. Von besonderer, auch symbolischer Bedeutung, ist die Straflosigkeit für den heute 91- Jährigen Efraín Ríos Montt, den Hauptverantwortlichen für die Eskalation des Bürgerkrieges und die Akte des systematischen Genozids in den frühen 1980er Jahren. Bereits 2001, zwei Jahre nachdem die CEH ihren Abschlussbericht vorgelegt hatte, erklärte ihr Leiter Tomuschat, er sehe ein Hauptproblem für den Aufbau demokratischer Strukturen in Guatemala in der Schwäche der Judikative, vor allem jedoch der Strafverfolgungsbehörden.[41]

Am 12. Dezember 2006 unterzeichneten die Vereinten Nationen und die Regierung eine Vereinbarung, die die Einrichtung einer Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (Comisión Internacional contra La Impunidad en Guatemala, CICIG) vorsah. Die Vereinbarung wurde im Mai 2007 vom guatemaltekischen Kongress ratifiziert. CICIG wurde in der Folge als internationale unabhängige Körperschaft etabliert und sollte Anklagebehörden, die nationale Polizei und andere staatliche Institutionen bei der Untersuchung von Verbrechen und Menschrechtsverletzungen unterstützen, die von illegalen und im Verborgenen agierenden paramilitärischen Gruppierungen begangen werden. Überdies soll die Kommission der guatemaltekischen Regierung, so das Mandat, Unterstützung bei der Auflösung solcher Gruppierungen sowie bei der Strafverfolgung leisten und schließlich Vorschläge für eine Reform des Justizsystems unterbreiten. Die Kommission soll schließlich weitere institutionelle Reformen beratend begleiten, die eine Neuformierung solcher Gruppen verhindern, zumindest aber erschweren sollen.

Um diese Ziele zu erreichen ist die CICIG autorisiert, als Strafverfolger in Ergänzung zu den nationalen Behörden aktiv zu werden, offizielle Beschwerden entgegenzunehmen und als dritte Partei in Disziplinarverfahren gegen guatemaltekische Offizielle auftreten, die in Verbrechen involviert sind oder die Strafverfolgung behindern. Zudem berät sie die Strafverfolgungsbehörden hinsichtlich der Verfahrensabläufe und sichert Zeugen, die bereit sind, zu kooperieren, Vertraulichkeit zu und gewährt Schutz vor guatemaltekischen Autoritäten. Ursprünglich mit einem Mandat bis 2009 versehen, wurde dieses auf Bitten des guatemaltekischen Außenministeriums zweimal durch die UN verlängert und begleitet beratend eine Reihe von Gesetzesvorhaben und Reformen. Diese umfassen Maßnahmen gegen Korruption, Menschenhandel, illegale Adoption sowie Vorschläge zur Verbesserung hinsichtlich internationaler Zusammenarbeit bei der Verbrechensbekämpfung.[42] Hinsichtlich der Straflosigkeitsproblematik unterbreitete die Kommission Gesetzesvorschläge u.a. bezüglich, der Habeas-Corpus-Bestimmungen, des Zeugenschutzes, der Waffengesetzgebung sowie der Aufhebung der Immunität.[43]

Neben der Initiierung und Begleitung legislativer Vorhaben tritt die Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden bei Aufklärung und Strafprozessen gegen Akteure im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen als wesentliche Tätigkeit der Kommission hervor.

Die Herstellung von Rechtsfrieden aus Perspektive der Opfer, die juristische Aufarbeitung von Verbrechen, die in einer kriegerischen Auseinandersetzung, im Besonderen von Vertretern einer früheren Staatsgewalt begangen worden waren, ist ein zentrales Element innergesellschaftlicher Auseinandersetzung. Zwar konnten zahlreiche Täter mit Unterstützung der CICIG vor Gericht gestellt und verurteilt werden, wobei auch Zeugenbeweise der Wahrheitskommission zu Grunde gelegt wurden.[44] Dennoch stellt Straflosigkeit auch 20 Jahre nach Ende des Bürgerkrieges immer noch ein Problem dar. Trotz institutioneller Reformen, mit denen die Justiz zu gestärkt und die Armee unter Rechenschaftspflicht gestellt worden war, weigert sich das Militär bis heute, Unterlagen herauszugeben, die Aufschluss zu Tötungen, Verschleppungen, Entführungen, Sexualdelikten und weiteren Kriegsverbrechen geben könnten.[45]

So ist eine Reihe hochrangiger Funktionsträger, die Verantwortung für Akte des Genozids tragen, bislang nicht verurteilt worden. Allen voran José Efraín Ríos Montt, als Präsident verantwortlich während der Phase der schlimmsten staatlichen Gewaltexzesse, ist bislang straffrei. Zwar wurde Montt 2013 zu 80 Jahren Haft für seine Verantwortung für die systematische Ermordung der Ixil-Indianer und die Vertreibung Zehntausender während seiner Präsidentschaft (1982-1983) verurteilt: 50 Jahre für Völkermord und 30 Jahre wegen Humanitätsverbrechen.[46] Auf das Gerechtigkeitsempfinden der Opfer wirkte sich indes verheerend aus, dass das Urteil wegen angeblicher Verfahrensfehler nicht rechtskräftig und der Prozess gegen den damals 87-Jährigen vertagt wurde.[47] 2015 wurde die Fortsetzung des Prozesses abermals auf Januar 2016 verschoben, vorab wurde dem nunmehr 90-Jährigen auf Grund seines schlechten Gesundheitszustandes Straffreiheit zugesichert. Zwar wurde das Strafverfahren 2016 hinter verschlossenen Türen fortgesetzt, ohne bislang weitere Ergebnisse gezeitigt zu haben.[48]

Die neuerliche Verschiebung des Prozesses wurde von Menschenrechtsorganisationen als Schlag ins Gesicht der Opfer gewertet, die nach wie vor versuchten die Wunden aus dem Jahrzehnte dauernden Bürgerkrieg zu heilen. Indem man Rios Montt erlaubt habe, sich über Dekaden der Gerichtsbarkeit zu entziehen, hätten die guatemaltekischen Autoritäten ein grausames Spiel mit den zehntausenden Opfern und ihrer Angehörigen gespielt, die gefoltert, getötet, verschleppt und gewaltsam vertrieben wurden, so Erika Guevara Rosas, Amerikas‘ Direktorin am Internationalen Sekretariat von Amnesty International (AI).[49]

Das Urteil hat auch bei anderen Menschenrechtsorganisationen und Juristen Kritik ausgelöst. So erklärte Ramón Cadena, Direktor der Internationalen Kommission der Juristen Zentralamerikas: “Dieser Fall zeigt die Straflosigkeit, die in Guatemala herrscht und die Hindernisse, denen die indigenen Völker in den Forderungen für ihre Rechte und Zugang zur Justiz und Gerechtigkeit ausgesetzt sind. In den allermeisten Fällen ist es unmöglich die Wahrheit über Straftaten ans Licht zu bringen, weil mächtige Personen involviert sind und die Richter und Richterinnen diese schützen.”

CICIG konnte somit einige legislative Weichenstellungen, Strafverfolgungsbemühungen und institutionelle Umstrukturierungsmaßnahmen anstoßen, begleiten und forcieren und somit einige Impulse im Kontext eines Peace- and Nation-Building setzen. Das Instrument stößt jedoch an die Grenzen seines Mandats angesichts politischer, institutioneller und gesellschaftlicher Beharrungskräfte und zeigt einmal mehr die übergenerationale Langfristigkeit eines umfassenden Friedensprozesses auf.

So ist auch 18 Jahre nach Ende des Bürgerkrieges, im Dezember 2014, Dialog nicht selbstverständlich. Erstmals trafen im Rahmen einer von der Akademie der Deutschen Welle veranstalteten Podiumsdiskussion Julio Balconi, General im Ruhestand und ehemaliger Verteidigungsminister, und Gustavo Meoño, ehedem Kommandant der aufständischen “Guerrilla-Armee der Armen” (EGP) und heute Direktor des Historischen Polizeiarchivs der Nationalpolizei, zusammen und sprachen über die Massaker an der Bevölkerung.[50]

Von einer „vorsichtigen Annäherung“ sprach David Olmos, Ländermanager für Guatemala der Akademie der Deutschen Welle in der Hoffnung, dass eine solche Diskussionsplattform langfristig „einen nationalen Dialog anstoßen könne.“ Olmos hob hervor, dass “in Guatemala nach wie vor kaum öffentlich über die Vergangenheit gesprochen“ werde. In den Medien finde „eine Auseinandersetzung mit der Geschichte so gut wie nicht statt, vor allem die Anliegen der indigenen Bevölkerung werden ausgespart.”[51]

Die Veranstaltung stand unter der Überschrift “¿Tu verdad? No, la Verdad” (“Deine Wahrheit? Nein, die Wahrheit”). Es ist der Wahrheitskommission zu verdanken, dass es eine dokumentierte, nicht zu leugnende Wahrheit gibt. Guatemala braucht nun eine funktionierende Justiz, die sich mit den Verbrechen aus über drei Jahrzehnten Bürgerkrieg glaubhaft auseinandersetzt und zu Urteilen findet, die es den Opfern erlaubt, sich als Teil einer Gesellschaft zu betrachten, die ihre Belange ernst nimmt und sie ein Stück weit Gerechtigkeit erfahren lässt. Die Strafmaße sind hierbei sekundär. Begleitet sollte diese juristische Auseinandersetzung von einem gesellschaftlichen Diskurs, der 18 Jahre nach Ende des Krieges nur sehr zaghaft begonnen hat.

Autor: Dr. Christian Ritz
Kontakt: info@fritz-bauer-forum.de

 

Anmerkungen

[1] BIP-Wachstum 4,1 Prozent 2015, 2,9 Prozent 2016, erwartetes Wachstum für 2017: 3,2 Prozent; The World Bank: http://www.worldbank.org/en/country/guatemala/overview#1, zuletzt abgefragt am 07.05.2017; die voranstehenden Daten zur Bildungsfrage ebd.

[2] Ebd.

[3] So Christian Tomuschat, “Die Arbeit der Wahrheitskommission in Guatemala”, in: Thilo Marauhn (Hrsg.), Recht, Politik und Rechtspolitik in den internationalen Beziehungen. Tübingen 2005, S. 27-44, hier S. 28ff.

[4] Tomuschat, “Wahrheitskommission”, S. 29f.

[5] S. hierzu die Zusammenfassung in: https://www.britannica.com/biography/Juan-Jose-Arevalo, u.a. mit weiterführender Literatur.

[6] Juan José Arévalo, The Shark and the Sardines. Erstausgabe 1961: Whitefish 2007.

[7] Tomuschat, “Wahrheitskommission”, S. 30f.

[8] Vgl. https://www.britannica.com/biography/Jacobo-Arbenz, abgefragt am 25.06.2017.

[9] Vgl. hierzu auch Sabine Kurtenbach, “Ende gut alles gut? Vom Krieg zum Frieden in Zentralamerika”, in: Dies., u. a. (Hrsg.), Zentralamerika. Politik, Wirtschaft, Kultur heute. Frankfurt/M. 2008, S. 253-277, hier S. 255f.

[10] Hierzu ausführlich Villagrán Kramer, Biografia Politica de Guatemala. Guatemala City 1993, S. 379ff.

[11] Vgl. Tomuschat, “Wahrheitskommission”, S. 29.

[12] Ebd., S. 30.

[13] Ebd., S. 31.

[14] Vgl die Zahlen des Abschlussberichts der CEH, Guatemala, Memory of Silence, Report of the Commission for Historical Clarification. Conclusions and Recommendations, S. 85. https://www.aaas.org/sites/default/files/migrate/uploads/mos_en.pdf (abgefragt am 06.06.2017)

[15] New York Times, 19. Mai 2013; https://www.nytimes.com/roomfordebate/2013/05/19/what-guilt-does-the-us-bear-in-guatemala/guatemalan-slaughter-was-part-of-reagans-hard-line, (abgefragt am 11.06.) Obgleich das State-Department über die Massaker informiert war, bezeichnete Ronald Reagan Efrain Rios Montt 1982 noch als „man of great integrity“.

[16] Tomuschat,”Wahrheitskommission”, S. 30.

[17] Vgl. Marcie Mersky, “Human Rights In Negotiating Peace Agreements: Guatemala. (PDF)” In: The International Council on Human Rights Policy, Review Meeting. Peace Agreements: The Role of Human Rights in Negotiations, Belfast, 7.-8. March 2005, S. 3. (abgefragt 02.06.2017).

[18] Comisión para el Esclarecimiento Histórico, Informe Final, Guatemala: Memoria de Silencio. Tomo IV, S. 138.

[19] Vgl. Tomuschat, “Wahrheitskommission”, S. 32f.

[20] Zu erwähnen ist hier auch die GAM (Grupo de apoyo mútuo), ein Zusammenschluss von Frauen und Witwen für Frauen- und Menschenrechte.

[21] Vgl. hierzu die Zusammenfassung bei Mersky, Human Rights, S. 4.

[22] https://documents-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N96/368/21/PDF/N9636821.pdf?OpenElement.

[23] Vgl. Mersky, Human Rights, S.1f.

[24] „Acuerdo sobre el establecimiento de la Comisión para el Esclarecimiento Histórico de las violaciones a los derechos humanos y los hechos de violencia que han causado sufrimientos a la población guatemalteco. Englische Übersetzung“, in: American Society of International Law (Ed.:), International Legal Materials, Bd. 36 (1997) Nr. 2, S. 283. S. auch die Ausführungen des Vorsitzenden der Wahrheitskommission: Christian Tomuschat, „Die Arbeit der Wahrheitskommission in Guatemala“, in: Thilo Marauhn (Hrsg.), Recht, Politik und Rechtspolitik in den internationalen Beziehungen. Tübingen 2005, S. 27-44, vor allem S. 32ff. Vgl. auch Mersky, Human Rights, S. 3ff.

[25] Vgl. die entsprechenden Angaben bei Tomuschat, ebd., S. 32.

[26] Staatlich mandatierte Wahrheitskommissionen wurden hier bisher in Bolivien, Argentinien, Uruguay, Chile, El Salvador, Haiti, Ecuador, Guatemala, Panama, Peru und Paraguay eingesetzt. Ergänzend sind einzelne zivilgesellschaftliche, kirchliche Initiativen zu erwähnen, aber auch Projekte staatlicher Institutionen, wie etwa die Initiative des honduranischen Menschenrechtsprokurators Leo Valladares, der Untersuchungen zur Aufklärung des Schicksals von Verschwundenen angeregt und durchgeführt hatte oder die Einsetzung der „Sonderstaatsanwaltschaft zu politischen und sozialen Bewegungen der Vergangenheit“ durch Präsident Fox in Mexiko (vgl. Comisión de Derechos Humanos del Distrito Federal 2003). Vgl. hierzu Pricilla B. Hayner, Unspeakable Truths. Confronting State Terror and Atrocity. New York/London 2001.

[27] https://www.aaas.org/sites/default/files/migrate/uploads/mos_en.pdf.

[28] Ergebnis der Untersuchung der CEH zit. n. Mersky, Human Rights, S. 3.

[29] Zu seiner Arbeit und Funktion vgl. zunächst seine eigene Darstellung: Tomuschat, “Wahrheitskommission; die zusammenfassenden Ergebnisse der Kommission, Memoria de Silencio; Tomuschat ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (http://www.dgvn.de/ueber-uns/organisation/praesidium/ ), er wurde 2010 zum Leiter der UNHCR-Mission zur Umsetzung des Goldstone Berichts ernannt, der hinsichtlich des Gazakrieges angefertigt worden war. Vgl. Tovah Lazaroff, UN appoints Goldstone monitoring c’tee, Jerusalem Post online, 15.06.2010: http://www.jpost.com/International/UN-appoints-Goldstone-monitoring-ctee; er ist Unterstützer des Zentrums gegen Vertreibung (http://www.z-g-v.de/).

[30] Vgl. Tomuschat, “Wahrheitskommission“, S. 34. Eine eigene Darstellung: Edgar Alfredo Balsells Tojo, Olvido o memória. El Dilema De La Sociedád Guatemalteca. Guatemala-Stadt 2001, s. auch Amy Ross, „The creation and conduct of the Guatemalan Commission for Historical Clarification“, in: Geoforum, Bd. 37 (2006), Nr. 1, S. 69-81.

[31] In späteren Jahren war sie Ministerin für Kultur und Sport und war Mitglied des United Nations Permanent Forum on Indigenous Issues. (https://www.un.org/development/desa/indigenouspeoples/) (abgefragt am 21.06.2017); s.a. https://www.fundceri.org/jornada-alerta-democratica/ponentes/otilia-lux-de-coti (abgefragt am 22.06.2017)

[32] Vgl. hierzu die Zusammenfassung bei Mersky, Human Rights, S. 4.

[33] Tomuschat, “Wahrheitskommission”, S. 33ff.

[34] Comisión para el Esclarecimiento Histórico, Informe Final, Guatemala:Memoria de Silencio, passim.

[35] Christian Tomuschat, “Fehlschlag oder Erfolg? Eine Bilanz der Arbeit der Wahrheitskommission in Guatemala”, in: Die Friedens-Warte, Bd. 74 (1999), H. 4, S. 433-455, hier S. 433.

[36] https://www.aaas.org/sites/default/files/migrate/uploads/mos_en.pdf (abgefragt 23.05.2017).

[37] https://www.aaas.org/sites/default/files/migrate/uploads/mos_en.pdf (24.05.2017).

[38] Vgl. das Interview mit Christian Tomuschat aus dem Jahr 2001: http://lateinamerika-nachrichten.de/?aaartikel=die-gesellschaft-hat-in-ihr-spiegelbild-geschaut.

[39] Frank La Rue, hat auf den grundlegenden Unterschied zwischen dem Prozess eines Peace-Making und dem Prozess eines Peace-Building hingewiesen; ein Fundament der Wahrheit, der Aufklärung und Dokumentation, das durch eine unabhängige Kommission geschaffen und im gesellschaftlichen Diskurs einmal verankert ist, kann grundlegend für einen Peace and Nation-Building-Prozess sein, dessen Umsetzung freilich nicht mehr in den Kompetenzbereich einer Wahrheitskommission fallen kann. Frank La Rue ist stellvertretender Generaldirektor für Kommunication und Information bei der UNESCO. Zuvor war er UN-Sonderberichterstatter für Entwicklung und Schutz des Rechts auf Rede- und Meinungsfreiheit. Er betätigt sich seit über 25 Jahren aktiv für die Menschenrechte in seiner Heimat Guatemala.

[40] https://www.amnesty.org/en/latest/news/2015/08/guatemala-court-ruling-on-rios-montt-s-case-highlights-flaws-in-justice-system/

[41] Interview Tomuschat: http://lateinamerika-nachrichten.de/?aaartikel=die-gesellschaft-hat-in-ihr-spiegelbild-geschaut; eine Schwäche der Judikative in Transitionsphasen ist oftmals festzustellen, so unter anderem auch in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien und in zahlreichen afrikanischen Staaten; diese justiziellen Unzulänglichkeiten begründen Tomuschats Forderung nach einer Stärkung der internationalen Gerichtsbarkeit.

[42] http://www.cicig.org/index.php?page=institutional-reform (abgefragt 22.05.2017).

[43] http://www.cicig.org/index.php?page=institutional-reform (abgefragt 11.06.2017).

[44] Eine Auflistung der Strafprozesse mit Verfahrensbeschreibungen: http://www.cicig.org/uploads/documents/2013/SENT-20131018-01-EN.pdf (abgefragt 14.06.2017).

[45] https://www.amnesty.org/en/latest/news/2015/08/guatemala-court-ruling-on-rios-montt-s-case-highlights-flaws-in-justice-system/

[46] https://www.amnesty.org/en/latest/news/2015/08/guatemala-court-ruling-on-rios-montt-s-case-highlights-flaws-in-justice-system/; siehe auch: https://indiancountrymedianetwork.com/news/indigenous-peoples/new-trial-for-rios-montt-could-include-info-on-us-role-in-his-regime/ (abgefragt 15.06.2017).

[47] „The special tribunal in charge of trying José Efraín Ríos Montt said today that the trial was being suspended due to procedural issues. […]“. https://www.amnesty.org/en/latest/news/2016/01/shameful-decision-to-postpone-rios-montt-trial-a-new-stain-on-guatemala-s-justice-system/ (abgefragt 15.06.2017).

[48]https://indiancountrymedianetwork.com/news/indigenous-peoples/genocide-trial-for-guatemalan-president-in-2016-behind-closed-doors/ ; s. auch: http://www.bbc.com/news/world-latin-america-22605022 (abgefragt 15.06.2017).

[49] “By allowing Ríos Montt to evade the courts for decades, the Guatemalan authorities have been playing a cruel game with the victims of the tens of thousands of people who were tortured, killed, disappeared and forcibly displaced under his command and their relatives […].” https://www.amnesty.org/en/latest/news/2016/01/shameful-decision-to-postpone-rios-montt-trial-a-new-stain-on-guatemala-s-justice-system/ (abgefragt 15.06.2017).

[50] Vgl. den Bericht der DW unter http://www.dw.com/de/guatemala-das-schweigen-brechen/a-18123768 (abgefragt 23.06.2016).

[51] Ebd.

Cookie-Einstellungen
Auf dieser Website werden Cookie verwendet. Diese werden für den Betrieb der Website benötigt oder helfen uns dabei, die Website zu verbessern.
Alle Cookies zulassen
Auswahl speichern
Individuelle Einstellungen
Individuelle Einstellungen
Dies ist eine Übersicht aller Cookies, die auf der Website verwendet werden. Sie haben die Möglichkeit, individuelle Cookie-Einstellungen vorzunehmen. Geben Sie einzelnen Cookies oder ganzen Gruppen Ihre Einwilligung. Essentielle Cookies lassen sich nicht deaktivieren.
Speichern
Abbrechen
Essenziell (1)
Essenzielle Cookies werden für die grundlegende Funktionalität der Website benötigt.
Cookies anzeigen
Statistik (1)
Statistik Cookies tracken den Nutzer und das dazugehörige Surfverhalten um die Nutzererfahrung zu verbessern.
Cookies anzeigen