Militarisierung des staatlichen Bildungssektors in Bayern

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28.07.2024

Vorbild für andere Bundesländer?

Bayern beschließt bundesweit erstes Bundeswehrförderungsgesetz
und verpflichtet Schulen und Hochschulen zu engerer Kooperation mit der Bundeswehr

 

Ein Gastbeitrag von Rolf Gössner

 

I. Mit dem neuen “Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern”, das der bayerische Landtag Mitte Juli 2024 beschlossen hat, werden die bayerischen Hochschulen und Schulen dazu angehalten, enger mit der Bundeswehr zu kooperieren.

Öffentlicher Widerspruch im Vorfeld: Die Deutsche Friedensgesellschaft DFG-VK, Gewerkschaften, Schul- und Hochschul-Angehörige und zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens warnten schon im Vorfeld vor einer Verabschiedung des Gesetzes und kündigten eine verfassungsrechtliche Überprüfung an. (Kritiker von Bayerns Bundeswehrgesetz drohen mit Klage, Süddeutsche Zeitung/Zeit-online, dpa 10. Juli 2024). Mehr als 1.500 Personen – darunter der Liedermacher Konstantin Wecker, die Theologin Dr. Margot Käßmann, der Arbeitsrechtler Prof. Dr. Wolfgang Däubler, der ehemalige IG Metall-Chef Jürgen Peters und der Bürgerrechtler, Jurist und Publizist Dr. Rolf Gössner – unterzeichneten eine Petition gegen das Gesetz. Dennsie befürchten unter anderem, mit der Umsetzung gehe eine „Militarisierung des Bildungs- und Forschungsbereichs“ einher. Das neue Bundeswehrförderungsgesetz greife „unverhältnismäßig in die Autonomie der Hochschulen und damit in die Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit ein” und verstoße “gegen die Gewissensfreiheit an Schulen“, so die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Bayern.

II. Tatsächlich regelt das am 17. Juli 2024 vom bayerischen Landtag beschlossene Gesetz schwerwiegende Eingriffe in Verfassungs- und Grundrechtspositionen:

1. von Hochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen: Mit dem Bundeswehrförderungsgesetz soll eine “reibungslose Zusammenarbeit” und ein “ungehinderter Zugang der Bundeswehr zu Forschung und Entwicklung an Hochschulen sichergestellt” werden. Wörtlich heißt es im Gesetzestext: “Erzielte Forschungsergebnisse dürfen auch für militärische Zwecke der Bundesrepublik Deutschland oder der NATO-Bündnispartner genutzt werden” und: “Eine Beschränkung der Forschung auf zivile Nutzungen (Zivilklausel) ist unzulässig”. Denn, so heißt es in der Gesetzesbegründung: Zivilklauseln seien “angesichts der bestehenden sicherheitspolitischen Herausforderungen nicht hinnehmbar”; schließlich gehe es darum “das Forschungs- und Wissenschaftspotential der bayerischen Hochschulen auch zugunsten militärischer Forschung und Entwicklung” zu sichern.

2. Staatliche Schulen: Alle staatlichen Schulen sollen “im Rahmen der politischen Bildung” und zu “Fragen der Sicherheits – und Verteidigungspolitik” enger mit “Jugendoffizieren” und “Karriereberatern der Bundeswehr” zusammenarbeiten, auch zur “beruflichen Orientierung über Berufs- und Einsatzmöglichkeiten” bei der Bundeswehr. Bisher konnten Schulen und Lehrkräfte selbst entscheiden, ob sie die Bundeswehr in den Sozialkundeunterricht einbinden, jetzt wird es praktisch zum Zwang. Dies beeinträchtigt die Gewissensfreiheit der Schüler und Schulerinnen, die auf diese Weise einseitig beeinflusst werden. Und es befördert einen bedenklichen Trend: Denn die Bundeswehr hat in den letzten fünf Jahren bundesweit fast 8.000 Minderjährige rekrutiert und an Waffen ausgebildet (mit Einverständnis der Erziehungsberechtigten) – mit zuletzt steigender Tendenz. Und dies, obwohl der UN-Kinderrechtsauschuss ein Rekrutierungsalter von über 18 Jahren, also Volljährigkeit, fordert (FR 26.07.2024), um die Rekrutierung von Kindersoldaten auszuschließen.

3. Kooperationspflicht im nationalen Sicherheitsinteresse: Neben einem prinzipiell verordneten Kooperationsgebot wird im “Interesse der nationalen Sicherheit” ausdrücklich eine Kooperationspflicht der Schulen, Hochschulen und Universitäten vorgeschrieben.

III. In der Gesetzesbegründung heißt es, “Aufgabe des Staates” sei es, “unsere Gesellschaft auf die grundlegend veränderte sicherheitspolitische Lage vorzubereiten”, die Auswirkungen auf fast alle Lebensbereiche habe. Auch der Freistaat müsse “im Rahmen seiner (Regelungs-) Kompetenzen dazu beitragen, die Bundeswehr zu stärken, die Rahmenbedingungen für die Erfüllung der Aufgaben der Bundeswehr wie auch der Stationierungsstreitkräfte bestmöglich auszugestalten sowie den Rückhalt in der Bevölkerung für unsere Soldatinnen und Soldaten zu festigen”. Offensichtlich ganz im Sinne der bundesregierungsamtlich ausgerufenen militärischen “Zeitenwende” und des staatlichen Bemühens, die Bundeswehr umfassend “gesellschaftsfähig” und “kriegstüchtig” zu machen. Und tatsächlich gibt es bereits Pläne des Bundesbildungsministeriums, das Militär in Schulen noch intensiver werben zu lassen und Hochschulen für Militär- und Rüstungsforschung stärker zu öffnen.

IV. Mit hoher Wahrscheinlichkeit dürfte das bayerische “Gesetz zur Förderung der Bundeswehr” unverhältnismäßig und verfassungswidrig in Wissenschafts- und Forschungsfreiheit sowie in die Autonomie bayerischer Hochschulen eingreifen sowie die Militärisierung von Schulen und Wissenschaft, von Lehre und Forschung befördern. Deshalb muss der bayerische Verfassungsgerichtshof schnellstmöglich mit der verfassungsrechtlichen Überprüfung dieses Militärförderungsgesetzes befasst werden.

Autor: Dr. Rolf Gössner
Foto im Header und im Beitragsbild: Fritz Bauer Forum | BUXUS STIFTUNG, Fotograf: Richard Lensit; Foto von “The Visitor” der Künstlerin Angela Schilling in der Ausstellung zur Eröffnung der Fritz Bauer Bibliothek, August 2023.
Kontakt: info@fritz-bauer-forum.de

 

Quellen/Links (Auswahl)

– Schulen und Wissenschaft müssen kooperieren. Bayern besch­ließt Bun­des­wehr­ge­setz:
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bayern-bundeswehr-zivilklausel-kooperation-hochschulen-wissenschaftsfreiheit

– Kritiker von Bayerns Bundeswehrgesetz drohen mit Klage:
https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-bundeswehr-gesetz-kritik-klage-lux.Tw2GeZXiz48UQgZFsMHgSo

– Über 1.500 Personen unterstützen Petition gegen bayerisches Bundeswehrgesetz / Widerspruch gegen Gesetzesentwurf zur Militarisierung des Bildungsbereichs in Bayern:
https://www.gew-bayern.de/themen/nein-zum-bundeswehrgesetz
https://www.gew-bayern.de/aktuelles/detailseite/zum-gesetzentwurf-zur-foerderung-der-bundeswehr-in-bayern
https://www.gew-bayern.de/presse/detailseite/widerspruch-gegen-gesetzesentwurf-zur-militarisierung-des-bildungsbereichs

– Bayern macht Militarisierung zum Gesetz: Verbot von Zivilklauseln bei verstärkter Rekrutierung an Schulen:
https://www.labournet.de/branchen/dienstleistungen/bildung/bayern-macht-die-militarisierung-zum-gesetz-verbot-von-zivilklauseln-bei-verstaerkter-rekrutierung-an-schulen/

– Gesetzentwurf mit Begründung: https://www.bayern.de/wp-content/uploads/2024/02/Entwurf-Gesetz-zur-Foerderung-der-Bundeswehr.pdf  

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