„Deutschland und andere Staaten haben eine historische Verantwortung für die aktuelle Situation und die Machtstrukturen, die da sind. Was zum Beispiel die Umweltzerstörung angeht oder auch die noch zunehmende Flucht vor den Auswirkungen des Klimawandels. Dieser Verantwortung muss man sich stellen.“
Carola RacketeWeiterlesen:
Staatsangehörigkeit bei Geburt: Deutsch
Ort des Kampfes für Menschenrechte: Mittelmeer
Bereich | Art | Von | Bis | Ort |
---|---|---|---|---|
Bachelor in Nautik und Seeverkehr | 2007 | 2011 | Jade Hochschule in Elsfleth | |
Nautischer Wachoffizier mit Schwerpunkt Polarforschung auf den Schiffen, aber auch bei Greenpeace und auf Expeditionsschiffen | 2011 | 2017 | ||
Master im Naturschutzmanagement | 2015 | 2018 | Edge Hill University, Ormskirk, UK | |
Freiberufliche ökologische Kampagnen mit Fokus auf Menschenrechten & Naturschutz, Antarktis, insgesamt Klimagerechtigkeit | Seit 2018 |
Extinction Rebellion
Ort:Eintrittsgrund: Klimaziele
Funktion / Tätigkeit: Aktivistin
Leitmotiv
Carola Rackete widersetzte sich trotz drohender Haftstrafen der italienischen Regierung, um die Menschenrechte der Geflüchteten an Bord zu schützen und sie in Sicherheit zu bringen. Dabei sah sie sich selbst in der Verantwortung zu handeln.
Wie wurde die Geschichte bekannt?
Medien berichteten weltweit über die Geschehnisse im Mittelmeer.
Wann wurde die Geschichte bekannt?
2019
Preise, Auszeichnungen
- Médaille de la Ville de Paris, verliehen im Juli 2019
- Ehrenmedaille des katalanischen Regionalparlaments, verliehen am 10. September 2019
- Globart Award 2019 für ihr Lebenswerk, verliehen am 20. Oktober 2019
- Karl-Küpper-Preis, 2020
Eigene Werke
Rackete, Carola. Handeln statt Hoffen. Aufruf an die letzte Generation. Droemer, 2019.
Carola Rackete sieht eine Verantwortung bei privilegierten Menschen, für schwächere Menschen einzustehen, besonders für jene, die unter dem ausbeuterischen kapitalistischen System leiden.
Geltung der Rechte für alle Menschen in allen Ländern und Gebieten unabhängig von ihrer internationalen Stellung
Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit
Gleichheit vor dem Gesetz
Recht auf Freizügigkeit (national und übernational)
Asylrecht
Recht auf Staatsangehörigkeit
Recht auf soziale Sicherheit
EINLEITUNG
Carola Rackete widersetzte sich 2019 den italienischen Behörden und fuhr als Kapitänin des Schiffes Sea-Watch 3 in den Hafen von Lampedusa ein, um die 42 Geflüchteten an Bord in Sicherheit zu bringen. Darüber hinaus ist sie eine Umweltaktivistin und engagiert sich politisch.
DIE GESCHICHTE
Eigentlich pflanzt Carola Rackete im Sommer 2019 im Rahmen eines Naturschutzprojekts Bäume, als sie gebeten wird, kurzfristig die Führung der Sea-Watch 3 im Mittelmeer zu übernehmen. Schon zuvor war sie 2016 Kapitänin auf der Sea-Watch 2 und koordinierte Rettungsmissionen für Sea-Watch. Sea-Watch ist ein gemeinnütziger Verein aus Berlin, der sich der Seenotrettung von geflüchteten Menschen im Mittelmeer verschrieben hat.
Die Ereignisse rund um die Sea-Watch 3
Solch eine Rettungsmission koordinierte Carola Rackete auch am 12. Juni 2019, als das Rettungsschiff Sea-Watch 3 53 Menschen vor der lybischen Küste vor dem Ertrinken rettet. Aufgrund schwerer Verletzungen dürfen 11 der Geflüchteten das italienische Festland betreten. Den restlichen 42 wird das Verlassen des Schiffes verboten.
Somit muss die Sea-Watch 3 mit Besatzung vor der EU-Außengrenze auf dem Mittelmeer verweilen.
Die Kapitänin Carola Rackete kontaktiert verschiedene EU-Mitgliedsländer, darunter Italien, Holland, Malta und Frankreich und bittet um eine sichere legale Anlegemöglichkeit, um die Geflüchteten in Sicherheit zu bringen. Die Länder zeigen keine Reaktion. Als konkrete Anfragen erneut an Italien und Malta gestellt werden, werden die Seenotretter*innen ausdrücklich abgelehnt. Parallel wird ein Eilantrag an den europäischen Gerichtshof in Straßburg gestellt und abgelehnt, da die Richter kein „unmittelbares Risiko für irreparablen Schaden“ sehen. In nur wenigen Wochen wird Carola Rackete zum Gesicht der Seenotrettung und zur Stimme der Geflüchteten.
Die umstrittene und brisante Situation wird von zahlreichen Medien begleitet, sodass sich verschiedene Städte mit dem Rettungsschiff solidarisieren und anbieten, die Geflüchteten aufzunehmen. Jedoch gibt es kein erreichbares EU-Land, das eine Ankunft und Erstversorgung erlaubt. Denn zeitgleich positioniert sich der italienische Innenminister Matteo Salvini klar gegen die Aufnahme, spricht ein ausdrückliches Verbot für das Betreten der italienischen Hoheitsgewässer aus und beschimpft Carola Racketes Forderungen.
Somit treibt das Rettungsschiff über zwei Wochen auf dem Mittelmeer, ohne Aussicht auf einen sicheren Hafen und Versorgung.
Die Situation an Bord
Die gesundheitliche Situation der verletzten und traumatisierten Geflüchteten verschlechtert sich zunehmend. Insbesondere die psychische Gesundheit der Besatzung kann die Crew nicht mehr verantworten. Die Sea-Watch Crew geht von dem Grundsatz aus, dass die Geflüchteten ihrer Grundrechte nicht beraubt werden dürfen.
Carola Rackete ist überzeugt, dass gehandelt werden muss und entscheidet sich einvernehmlich mit der Crew dafür, den Hafen von Lampedusa, trotz drohender Geld- und Freiheitsstrafen, anzusteuern.
Am 29. Juni 2019 fährt die Sea-Watch 3 trotz aller Verbote seitens der italienischen Behörden in die italienischen Hoheitsgewässer ein und steuert den Hafen von Lampedusa an.
Bei der finalen Einfahrt kommt es bei dem Versuch seitens der italienischen Polizei das Rettungsschiff aufzuhalten, zu einem Unfall, wobei das Polizeiboot gerammt wird.
Im Hafen wird die Crew sowohl mit Jubel als auch mit Beschimpfungen von der Bevölkerung empfangen.
Als Rackete das Schiff verlässt, wird sie sofort von der italienischen Polizei festgenommen und unter Hausarrest gestellt. Vorgeworfen wird ihr die Beihilfe zu illegaler Einwanderung, die Verletzung italienischer Hoheitsgewässer, sowie der Verstoß gegen die Schifffahrtsordnung. Nach drei Tagen Hausarrest wird sie wieder entlassen. Sie muss sich in den darauffolgenden Jahren den Vorwürfen in mehreren Prozessen stellen, wurde jedoch schließlich freigesprochen.
Aktivismus und politisches Engagement
Durch diverse Forschungsprojekte in der Arktis und Antarktis erfuhr Rackete die Ausmaße des Klimawandels hautnah. Seitdem setzt sie sich für den Umweltschutz ein und betreibt Aktivismus im Bereich Ökologie und Klimawandel. Beispielsweise ist sie auch Unterstützerin der Klimagruppe Extinction Rebellion. In ihrem Buch „Handeln statt hoffen. Aufruf an die letzte Generation“ greift sie die enge Verknüpfung und Wechselwirkungen der beiden Themen Flucht und Klimakrise auf.
Rackete sieht die Klimakrise als größte Gerechtigkeitskrise der Welt und das ausbeutende kapitalistische Wirtschaftssystem als Verursacher. Somit betrachtet sie es als große Chance, sich als Kandidatin für die Europawahl 2024 für die Linkspartei aufstellen zu lassen und die sozialen und ökologischen Ziele der Klima- Aktivist*innen im Europaparlament zu etablieren. Ein Versuch, die Bewegungen auf der Straße mit der Politik zu vereinen. Somit ist Carola Racketes Geschichte noch nicht zu Ende geschrieben. Wir werden bestimmt noch viel von ihr hören.
Eine weitere Perspektive zur Seenotrettung von Geflüchteten gibt es hier, im Interview mit Judith Büthe, die als Fotografin Missionen auf See begleitet hat.
Autorin: Lucia Verhoeven
Kontakt: info@buxus-stiftung.de
Fotos:
Header: Sandra Singh / Sea-Watch
Porträt: Roger Hofstetter
Bild 1: Jon Stone / Sea-Watch
Bild 2: Felix Weiss / Sea-Watch
Quellen:
https://taz.de/Carola-Rackete-ueber-ihre-EU-Kandidatur/!5945305/
https://www.tagesschau.de/thema/rackete
https://www.die-linke.de/partei/spitzenteam-zur-europawahl/carola-rackete/
https://www.spiegel.de/thema/carola_rackete/
Alle Links: Letzter Abruf 31.10.2023