Gefährlicher QAnon Quatsch

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14.03.2019

Gefährlicher QAnonQuatsch

Ja, liebe Leser_innen, das ist kein Druckfehler, genauso wie Sie jetzt über diese seltsame Wortkonstruktion gestolpert sind, ist mir der Begriff “QAnon” nur  zufällig begegnet.

In den USA hört man ab und zu am Rande der politischen Diskussionen von dieser merkwürdigen, schleierhaften Gruppierung, deren Anhänger man hauptsächlich bei Präsident Donald Trumps Wahlkampfveranstaltungen trifft, wo sie sich mit riesigen Postern mediengerecht in Szene  setzen. Das passiert mit der Erlaubnis von Trumps politischem Team, das die Hintergrundbilder bei dessen Auftritten strikt kontrolliert. Im Klartext: QAnon steht hinter Trump und Trump sagt “Daumen hoch!”

Anfangs hat man QAnon-Anhänger als pure Trump-Fanatiker abgetan: der harte Kern, denen es egal ist, was Trump sagt oder tut, sie machen eben mit. Als ich mich entschloss, zu schauen, worum es bei QAnon eigentlich geht, war meine spontane Reaktion nach drei Zeilen: Es muss sich hier um Verrückte handeln, die jeglichen Bezug zur Realität verloren haben. Wer kann den Unsinn, den QAnon-Anhänger lauthals propagieren, glauben oder in irgendeiner Weise ernst nehmen?

Doch machen Sie sich selbst ein Bild.

QAnon hatte seinen Anfang im Oktober 2017, als ein Post auf dem Imageboard (Internet Forum) 4chan mit der Signatur (Tripcode) “Q” erschien – ein Hinweis auf die höchste Geheimnisstufe (“clearance”) des U.S. Energieministeriums. Eventuell ist es auch eine versteckte Anspielung auf den Charakter “Q” bei “Star Trek” – einem überdimensionalen Wesen mit unerschöpflichem Wissen –, aber das lassen wir beiseite. Der Post war anonym, daher “QAnon”. Die Person oder Personen, die sich hinter “Q” verbergen, behaupteten, sie hätten geheime Informationen, dass die politischen Gegner von Präsident Trump (einem Republikaner) – sprich Hillary Clinton und die Demokraten – Mitglieder in einem pädophilen Sex-Ring sind, die zusammen mit anderen prominenten Politikern und Liberalen wie Barack Obama und dem Finanzier George Soros einen Coup gegen Präsident Trump planen. Trump wisse von dieser Verschwörung und bekämpfe seitdem aktiv seine heimlichen Gegner.

Die QAnon-Bewegung hatte ihren Ursprung anscheinend in der sogenannten “Pizzagate”[1]-Verschwörungstheorie. Man will ab hier eigentlich nicht weiterlesen, aber glauben Sie mir, es wird noch schlimmer. Bei “Pizzagate” geht es um die Behauptung, dass die Emails des ehemaligen Clinton Beraters John Podesta Codewörter für Pädophilie und Menschenhandel enthielten, und dass bei den Treffen dieses geheimen Sex-Rings – im Keller eines Pizza-Restaurants – satanische, kannibalische Rituale praktiziert würden. All das verbreitete sich wie ein Lauffeuer via ultra-konservativer Apps und Websites. Trumps loyale Geheimarmee von “QAnonern” warten nun auf das heimliche Signal, mit dem Trump den militärischen Notstand ausruft und man Clinton, Obama & Co vor ein Militärtribunal stellt und dann nach Guantanamo verbannt.

Und damit sind wir noch nicht am Ende der Geschichte – es sind auch noch die außerirdischen Reptilien zu erwähnen. Genauer gesagt handelt es sich hier um zeitreisende außerirdische Reptilien. Da niemand die Identität von “Q” kennt, vermuten seine (ihre?) Anhänger, dass es sich um ein nicht-körperliches, gespenstiges Wesen handelt, eine Art “Shape Shifter”, ein zeitloser Geist, der das Universum in Sekundenschnelle durchquert (also doch ein Echo auf Star Trek…?). Aber nicht nur Q hat diese Eigenschaft, sondern auch prominente Bankiers, besonders die der Rothschild-Familie. Sie können unterschiedliche Formen annehmen, vorzugsweise die von Schlangen. Mit ihren satanischen Symbolen und Ritualen beeinflussen und steuern diese außerirdischen Rothschild-Reptilien dann – wie sollte es anders sein? – angeblich den Vatikan.

Man fragt sich, wer so etwas glaubt?! Anscheinend mehr Menschen, als man denkt, darunter auch – erschreckenderweise – Mike Flynn, Trumps erster Nationaler Sicherheitsberater, und sein Sohn, beide ernsthafte Verfechter der “Pizzagate”-Verschwörung.

Ich habe bislang immer gedacht und gehofft, dass sich dieser ganze QAnon-„Quatsch“ relativ schnell im Sande verläuft. Ähnlich wie die sensationellen Gerüchte, dass Elvis weiterhin unerkannt als Bademeister in Florida lebt. inzwischen bin ich eher pessimistisch, denn ein neuer, internationaler Zweig von “QAnonern” macht sich jetzt als Sprachrohr für die ultra-Rechten in Europa stark. Wie britische und amerikanische Medien kürzlich berichteten, schwingen diese nun auch bei uns als “QDeutschland” für die rechts-populistische Alternative Deutschland (AfD) und Pegida die Fahnen.

Mitte Februar zitierte die britische Zeitung The Guardian eine neue Studie des Institute for Strategic Dialogue (Institut für strategischen Dialog) in London, das extremistische Bewegungen erforscht und bekämpft.

“Wir sind auf neue, internationale, rechts-extreme Netzwerke gestoßen, die in Deutschland aktiv sind, um die politische und kulturelle Agenda der extremen Rechten zu fördern und die politischen Gegner der AfD anzugreifen“, schreiben die Autoren. “Das US-amerikanische Verschwörungsnetzwerk QAnon hat eine [neue] deutsche Variante ermutigt, die gewalttätige und antidemokratische Verschwörungstheorien über den Atlantik hinweg verbindet.”

Diese neue, rechts-extreme Beeinflussungskampagne von europäischen Verschwörungstheoretikern setzt vor allem auf die sozialen Medien, mit QAnon-Hashtags als Multiplikatoren, um die öffentliche Meinung und Wahlen zu beeinflussen, darunter die Landtagswahlen 2018 in Bayern.“QAnon-Anhänger organisieren sich auf verschlüsselten Apps wie Discord und Telegram und verknüpfen die in Amerika verankerte Verschwörungstheorie mit lokalen Kontexten“, heisst es in dem ISD-Bericht weiter.

Diese Entwicklung ist mehr als beängstigend, gerade aufgrund ihrer scheinbaren Absurdität. Schwer zu glauben, dass solche Hirngespinste “bei uns” Fuß fassen, aber sie tun es eben doch. In QAnon findet die Ära von “Fake News” und “Post Truth” ihren wohl extremsten Ausdruck. Dabei werden alle gesellschaftlichen Regeln – inklusive der gesunde Menschenverstand – auf einen Schlag komplett suspendiert. Was sich bereits bei Trumps Vorgänger, George W. Bush, ankündigte – der arrogante Verlass auf das eigene Bauchgefühl und dass bewusste Ignorieren von objektiven Fakten – erreicht jetzt bei Trump neue und immer gefährlichere Dimensionen. Fakten existieren lediglich, um angezweifelt zu werden. Nichts ist unmöglich. Man darf niemand trauen. Freunde sind Verräter und Verräter sind Freunde. In dieser “Echokammer der Gleichgesinnten”, wie es der ägyptische Internet-Aktivist Wael Ghonim nennt, werden gefährliche Parolen effektiv verstärkt, “die das Streben nach Dialog und Konsens lauthals übertönen.”

Trump und seine Anhänger versuchen bewusst, die traditionellen “Checks und Balances” des amerikanischen politischen Systems zu untergraben. Eine wichtige Rolle spielen dabei die amerikanischen Gerichtshöfe. Seit seinem Amtsantritt hat Trump, mit Hilfe des U.S. Senats, wo die Republikaner weiterhin in der Mehrheit sind, über 70 neue Bundesrichter nominiert und zwei Positionen auf der Bank des Obersten Gerichtshofs (Supreme Court) mit konservativen Juristen besetzt. Diese Richter werden das Rechtssystem der USA jahrzehntelang entscheidend prägen. Eng verknüpft mit dieser Strategie ist das Schüren von Hass auf Immigranten und Minderheiten, denen die Hauptschuld für die wirtschaftlichen Probleme der USA zugeschoben wird, weil sie angeblich zuviele Arbeitsplätze wegnehmen und das weiße Kulturerbe vergiften.

Die freie Presse, die diese und andere Angriffe auf die amerikanische Verfassung kritisiert, wird verhöhnt und zur öffentlichen Zielscheibe gemacht. Die sogenannten “Fake News Media”, die “Lügenpresse”, sein Volksfeind Nummer 1, “the Enemy ofthe People”, wie Trump nahezu bei jedem seiner Auftritte beschwört. Schon während des Wahlkampfs 2016 kam es wiederholt zu Handgreiflichkeiten gegenüber Journalisten durch Trump-Anhänger. Dieser fand das in Ordnung und goss bei einer anderen Veranstaltungnoch Öl ins Feuer, indem er bekundete, dass seiner Ansicht nach gewisse Demonstranten im Publikum eine Tracht Prügel verdienten hätten – er würde gern die Anwaltskosten tragen.

Wie wehrt man sich gegen solche Űbergriffe, diesen Frontalangriff auf hart erkämpfte, gemeinsame Werte? Wie pariert man diesen Rundumschlag gegen Rationalität, Toleranz und ein verantwortliches Miteinander? Die amerikanische Journalistin Christian Amanpour sprach schon im November 2016 eine deutliche Warnung an ihre Kollegen aus, dass sich Presse und Medien der neuen Realität aggressiver und effektiver stellen müssten:

“Wir müssen akzeptieren, dass uns die sozialen Medien, denen wir so sklavisch gewidmet sind, eine glatte Niederlage zugefügt haben. Dazu diese nahezu unglaubliche Entwicklung von ‘Fake News’-Websites – also Lügen – die die Menschen irgendwie nicht erkennen, prüfen oder ignorieren können. Wir müssen uns fragen, ob die Technologie unsere menschliche Fähigkeit, mit dieser Entwicklung mitzuhalten, endgültig hinter sich gelassen hat.”

Trotzdem kann und muss die Öffentlichkeit den Kampf gegen diese Manipulationslawine gewinnen, meint Amanpour.

“Wir müssen gegen die Normalisierung des schlichtweg Unakzeptablen kämpfen. … Mehr denn je müssen wir uns zu einer echten Berichterstattung in einer realen Welt verpflichten, in der Journalismus und Demokratie in tödlicher Gefahr schweben.

Ich glaube daran, ehrlich zu sein, nicht neutral. Das ist also vor allem ein Appell, den Journalismus selbst zu schützen. Verpflichten Sie sich zu einer robusten, sachlichen Berichterstattung, ohne Furcht oder Gefallen … Lassen Sie sich nicht als Lügner abstempeln, oder als Versager, oder als korrupt.”

Gleichzeitig muss das “technologische Ökosystem” der Rechten gezielter bekämpft werden, wie es die Forscher des ISD betonen. Junge Leute sind technisch versiert, und sie arbeiten und kommunizieren hauptsächlich online. Das heisst aber nicht, dass sie eine dringend notwendige digitale Kompetenz besitzen, die Fähigkeit, Inhalte kritisch zu begutachten und zu analysieren. Viele der neuen chatrooms und Platformen wie Gab, Voat oder Wrongthink haben nicht genügend Resourcen, um Inhalte aktiv zu moderieren. Darum ist es umso wichtiger, kritisches Denken aktiv zu fördern. Nur so entreißt man Extremist wie QAnon und Pegida bzw. AfD den fruchtbaren Boden, auf dem ihre gefährlichen Ideen wachsen und gedeihen.

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