Wehret den Anfängen! Mut zur Zivilcourage – Die Aktualität Otto Kleppers

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26.01.2019

Wehret den Anfängen!
Mut zur Zivilcourage –  Die Aktualität Otto Kleppers

Bedrohung von Rechts und Kampf für Europa: Was haben diese beiden Dinge mit Otto Klepper zu tun, dem letzten Finanzminister Preußens, das dann durch einen Staatsstreich von Reichskanzler Franz v. Papen am 20. Juli 1932 aufgelöst wurde?

Was die Bedrohung von rechts anbelangt, so braucht man nur die Rede von dem konservativen Abgeordneten Hans von Rohr zu lesen, mit der er den Misstrauensantrag gegen den preußischen Finanzminister Otto Klepper für die Deutsch-Nationale Volkspartei (DNVP) im Preußischen Landtag am 16. Dezember 1931 begründete hatte, um zu verstehen, wo die Parallelen zu heutigen Beiträgen der extremen Rechten sind:

„Hier prallen geradezu zwei Weltanschauungen aufeinander; das wirkliche Preußen und das neuepreußische System, das schon nach zwölf Jahren seines Bestehens geradezu Zeichen eines sittlichen Verfalls an der Stirn trägt. […] Wir aber, Herr Minister Klepper, denken in dieser Stunde an das Wort, das einmal Heinrich von Treitschke[1] gesagt hat, dass ein gerechtes Schicksal eine morsche Staatsgewalt immer zu zwingen pflegt, am Rande ihres Grabes alle Gebrechen vor aller Welt sinnfällig noch einmal zu offenbaren. Wenn Sie übermorgen Herrn Klepper bestätigen, so zeigt uns das mit aller Klarheit, dass Ihr System unter dem Wort Treitschkes steht. Machen Sie nur so weiter! Behalten Sie Ihren Klepper. Wir lassen Ihnen Ihr System und werden es noch stoßen, damit es in dem schon offenen Grabe versinkt.“

Dazu ein Zitat aus einem Artikel über terroristische und rassistische Angriffe im Tagesspiegel vom 30. Dezember 2015: „Gemeinsamer Feind aller Extremisten ist die abfällig als ‚System’ bezeichnete Demokratie der Bundesrepublik“ und am 9. April des gleichen Jahres schreibt das Zeit-Magazin: „Frau Oertel (von Pegida) hegt diffuse Vorurteile Migranten, Politik und Presse gegenüber – ‚Lügenpresse’ ist ein Begriff aus der NS-Zeit – sie sagt noch immer, das System sei kaputt, eine Revolution nötig.“ Und die Pegida-Aktivistin Tatjana Festerling spricht in dem Zusammenhang gar von „Systemlingen“, wie der Tagesspiegel im August zu berichten wusste. Das war 2015, inzwischen sind 3 Jahre ins Land gegangen. Sind wir wieder so weit? Nein, natuerlich nicht, aber wehret den Anfaengen! Die rechtspopulistische AfD sitzt im Bundestag und in allen Landtagen, hat ellenlange Einträge bei Wikipedia und zahllose Auftritte im Internet, die Sprache ist schärfer geworden und die Anhängerschaft wächst.

Aber während 1932 die Prophezeiung von Herrn von Rohr schon knapp ein halbes Jahr später wahr und Preußen aufgelöst und wiederum ein halbes Jahr später die Weimarer Republik am 30. Januar 1933 zu Grabe getragen wurde, ist heute – 70 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik – die Demokratie gefestigt. Die Abwehrkräfte gegen rechts sind sehr viel stärker.

Trotzdem ist eine erhöhte Aufmerksamkeit geboten, zumal das Internet, das es in den 30er Jahren nicht gab, eine riesige Rolle spielt, nicht zuletzt als Verstärker und als Verführung!

Da Otto Klepper in der schwierigen Endphase der Weimarer Republik als Präsident der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse, der sogenannten Preußenkasse und heutigen DZ-Bank, und dann als Preußischer Finanzminister Teil des „Systems“ war, ist sein Schicksal exemplarisch, sowohl für den vergeblichen Kampf um die Verteidigung der Demokratie vor 1933, als auch für den Wiederaufbau der Demokratie nach dem Krieg. Insofern geht es hier nicht nur um eine spezielle Person, sondern um einen Menschen, dessen Einsatz für ein demokratisches Deutschland sowohl nach dem Ersten, wie nach dem Zweiten Weltkrieg exemplarischen Charakter hat. Es geht um Politik und Zivilcourage am Ende der Weimarer Republik, im Exil und in der frühen Nachkriegszeit, und es geht um das Erkennen von die Demokratie gefährdenden Strukturen und Verhaltensweisen, es geht auch um die Zivilcourage jedes Einzelnen.

Was den zweiten Punkt – Kampf für Europa – anbelangt, so kann Klepper auch da als Vorbild dienen, denn er hat schon im Dezember 1936 einen Aufsatz „Europäische Freiheit” im Neuen Tagebuch in Paris veröffentlicht, und damit zugleich sein Programm dargelegt: ohne ein freies Deutschland, kein freies Europa. Zusammen mit Willi Münzenberg und anderen gründete er die Exil-Zeitschrift Die Zukunft – mit in dem Untertitel: „Ein neues Deutschland: Ein neues Europa!” Sie wurde von einflussreichen Franzosen unterstützt.

Wie hellsichtig Klepper die Notwendigkeit eines geeinten Europa kurz vor dem Krieg begründete, zeigt der folgende Auszug aus einem seiner zahlreichen Artikel: Auf internationaler Ebene bedürfe es einer Überwindung des Autarkiedenkens und einer stärkeren Einsicht in die Tatsache, daß die Welt sich aufgrund der modernen Technik verkleinert habe und wir einer „fortschreitenden Verfeinerung der internationalen Arbeitsteilung” entgegengingen. Gewännen wir diese Einsichten nicht, das hieße konkret gesprochen, bauten wir die Zoll- und Handelsschranken nicht ab, und schafften keinen „einheitlichen europäischen Wirtschaftsraum”, dann verkümmerten wir nicht nur „zu notleidenden Weltwirtschaften in Taschenformat”, sondern gefährdeten den Frieden und zwar die rohstoffärmsten und bevölkerungsreichsten Länder an erster Stelle, weil „schließlich aus Hilflosigkeit jener Expansionsdrang [entstehe], der ‚Führer’ benötigt, um den Raub fremden Landes zum Zwecke der Ausbeutung zu organisieren”. Vorbedingung für Europa sei „die Versöhnung Frankreichs und Deutschlands”, sie würde „die Erlösung Europas bedeuten”.

Die logische Folge war die Gründung der Deutsch-Französischen Union wenige Wochen vor Kriegsausbruch, im Frühjahr 1939. Die Gründer, an deren erster Stelle Klepper neben Hermann Rauschning, Willi Münzenberg und Werner Thormann stand, waren sich der Verwegenheit ihres Tuns bewußt, in einer Zeit höchster Kriegsgefahr, „an die Möglichkeiten einer Zukunft zu denken [und mit] der deutsch-französischen Zusammenarbeit die Grundsteine der Organisation Europas, eines Europas der Freiheit, des Friedens und der Demokratie” zu legen. Für sie war es die einzige Hoffnung, in dem Sinne, in dem es die französischen Vertreter der Union am 19. Mai 1939 auf der ersten deutsch-französisch gestalteten Seite der Zukunft ausdrückten: „Auch wenn der Krieg unvermeidlich sein sollte, wird die Deutsch-Französische Union fortfahren, all ihre Anstrengungen auf die Gründung eines politisch geeinten und föderativ gegliederten Europa zu richten und auf die Organisation einer wirklichen übernationalen, mit der Verteidigung der Demokratie beauftragten Macht.”

Es ist leider bezeichnend, dass bei all den Feierlichkeiten zum Elysée-Vertrag von 1963 und zur Neuauflage des Vertrags in Aachen kein Mensch die Grundlage der Versöhnung, die vor 80 Jahren in Paris gelegt wurde, erwähnt, geschweige denn etwas darüber weiß. Was gehörte für ein Mut dazu, drei Monate vor dem Krieg, wohl wissend, dass er kommt, an Europa zu denken und eine deutsch-französische Union als Grundlage für eines zukünftigen Europa zu gründen.

Autorin: Gastbeitrag von Dr. Astrid von Pufendorf, Historikerin und Biographin des letzten preußischen Finazministers Otto Klepper: Astrid v. Pufendorf: Mut zur Utopie. Otto Klepper – ein Mensch zwischen den Zeiten. Frankfurt am Main: Societäts-Verlag, 2015 (Orig. 1997). Siehe dazu auch den Beitrag: Astrid v. Pufendorf, “Otto Klepper, Wahrhaftigkeit, Zivilcourage und Dienst für die Allgemeinheit”, Fritz Bauer Blog 12. Oktober 2018.

Foto: Otto Klepper, Ankunft in Frankfurt am Main, ©Privatarchiv Astrid v. Pufendorf.

Kontakt: info@fritz-bauer-blog.de

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