Zeichen für Erinnerung

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15.08.2023

Fritz Bauer Bibliothek fertiggestellt

Begrüßung von Dr. Irmtrud Wojak beim Sommerfestes zur Fertigstellung der Fritz Bauer Bibliothek

Dr. Irmtrud Wojak, Initiatorin des Fritz Bauer Forums

Wir freuen uns heute über die Fertigstellung unserer Fritz Bauer Bibliothek und ich begrüße Sie und Euch alle herzlich hier auf unserem Baugrundstück. Ich freue mich sehr über diesen großen Schritt auf dem Weg zum Bochumer Fritz Bauer Forum.

Es ist dies gewiss ein Moment, um innezuhalten und Dank zu sagen. Dank an alle Beteiligten, die mir und uns seit der Grundsteinlegung vor zwei Jahren weitergeholfen und uns ermutigt haben, in diesen Zeiten weiterzugehen, uns Gedanken über die Gestaltung des Forums und seine Aufgaben zu machen. Gerade unter dem äußeren Druck, der einen manchmal ermüden lassen will. Ermüden deswegen, weil man das Gefühl bekommt, dass dieses Fritz Bauer Forum angesichts wachsender Menschenfeindlichkeit im politischen Tagesgeschäft ebenso wie im Alltag auf die lange Dauer notwendiger denn je gebraucht wird. Da kann man sich schonmal fragen, wie schaffen wir das eigentlich?

Zum Glück fällt mir in diesen Situationen dann meist unser Namensgeber Fritz Bauer ein, der – dem Sinn nach – einmal gesagt hat: Es gibt die deutsche Dichtung und es gibt den deutschen Wald und die deutschen Alpen, aber stolz können wir doch nur auf etwas sein, das wir selbst geschaffen haben.

Fritz Bauer sagte dies, während er selbst unter schwierigsten gesellschaftspolitischen Bedingungen für die Entnazifizierung und für die Wiederherstellung einer humanen Rechtsordnung in Deutschland kämpfte. Er war der Jurist, der Holocaust-Überlebende und der politische Remigrant, der Auschwitz, die NS-Justiz und die Verbrechen der NS-Medizin vor Gericht brachte. Er hielt der deutschen Gesellschaft den Spiegel vor, in den die übergroße Mehrheit nicht schauen wollte. Deshalb begleiteten Anfeindungen und Morddrohungen bis zum Tod.

Lassen Sie es mich in einem Wort zusammenfassen, Fritz Bauer war ein Widerstandskämpfer. Er ließ sich nicht entmutigen, auch wenn er manchmal müde war und daran dachte, in sein Exilland zurückzukehren, weil er nicht genügend Zuspruch bekam. Es war kein Zufall, dass der Nürnberger Chefankläger und ebenfalls Flüchtling vor dem Nazi-Regime, Robert M. W. Kempner, bei Bauers Tod drastische Worte fand und die versammelte Trauergemeinde fragte: Was haben wir eigentlich für Fritz Bauer getan?

Sie hatten ihn allein gelassen, den größten Botschafter, so Kempner, den die Bundesrepublik Deutschland nach dem Tod Konrad Adenauers hatte.

Heute können wir sagen, dass wir durch eine gemeinsame Anstrengung diese wunderbare Fritz Bauer Bibliothek für das nach ihm benannte Forum in Bochum geschaffen haben, das jetzt immer mehr Gestalt annimmt.

Möglich wurde dies durch Jens Mittelsten Scheid, der mich auf dem Weg, Fritz Bauers Anliegen nicht nur einen Platz in unserer Erinnerung zu verschaffen, sondern aus seinem Lebenswerk Schlüsse für das eigene Handeln zu ziehen, immer neu bestärkt hat: durch seine Freundschaft, Tatkraft und durch seine außergewöhnliche finanzielle Förderung. Ich sage dies ausdrücklich in dieser Reihenfolge, denn ohne dieses wunderbare Vertrauen wäre dies nicht möglich gewesen. Lieber Jens, vielen Dank!

Mitgeprägt hat, und mit gegangen ist diesen Weg einige Jahre länger schon Irmgard Schmidt, die sich dabei nie hat beirren lassen und Berge versetzen half. Und es sind alte und neue Freundinnen und Freunde hinzugekommen, denen ich hier, ohne sie alle namentlich nennen zu können, ganz herzlich Dank sage.

Dieser Dank gilt auch dem Architekten-Team der planplus GmbH und Leitung von Herrn Tönnes, das in schwierigen Zeiten dieses Werk mit uns vollbracht hat, dem Bauleiter Herrn Kanke, und ebenso den Handwerkern und Handwerkerinnen, die die großen Herausforderungen dieses Bauprojekts tatkräftig mit uns angepackt haben.

Schließlich gilt mein Dank, das kann ich nicht genug betonen, dem Team Fritz Bauer Forum, das in den letzten Jahren zusammengewachsen ist und das unser Forum – teils mit ehrenamtlicher Unterstützung und nicht selten über das gewöhnliche Pensum hinaus – voranbringt und den Weg mitgestaltet. Vielen Dank, liebe Magdalena Köhler, Jennifer Haas und Tobias Fetzer, für Euer großes, außergewöhnliches Engagement. Für die Bereitschaft mit aufzubauen und einen Ort zu schaffen, wo wir mit anderen dazu beitragen, Wege heraus aus dem „kollektiven Negativgedächtnis“ zu finden. Um es durch jenen Ungehorsam und Widerstand zu ergänzen, den zu bestärken Fritz Bauer und andere Überlebende des Nazi-Regimes nach Deutschland zurückgekehrt sind.

Denn lassen Sie mich daran nochmals erinnern: Fritz Bauer kehrte zurück, um dem Recht und der Pflicht zum Widerstand zu neuer Geltung zu verhelfen. Das klingt so unwahrscheinlich, wie es wagemutig war. Widerstand galt auch nach 1945 in Deutschland als Landesverrat. Remigranten, die wie Bauer von Anfang an gegen den nationalsozialistischen Ungeist gekämpft hatten, wurden als Verräter verunglimpft.

Fritz Bauer Bibliothek am Abend nach dem großen Sommerfest

Und wie sieht es mit dem Ansehen von Widerstand oder Ungehorsam heute aus?

Wohlgemerkt, ich meine nicht den Widerstand in den Tagen des großen Unrechts, die Geschwister Hans und Sophie Scholl oder den Widerstand des 20. Juli 1944, zu dessen Rehabilitierung Bauer entscheidend beigetragen hat. Es geht um den kleinen Widerstand gegen das Unrecht im Alltag, der in der Demokratie tagtäglich erprobt und ausgeübt werden muss. Fritz Bauer hat auch das immer wieder betont: Der Widerstand in den Tagen des großen Unrechts setzt den kleinen Widerstand gegen das Unrecht im Alltag voraus.

In der Bibliothek des Fritz Bauer Forums werden wir diese Sichtweise weiterverfolgen, auf hierfür prädestiniertem Gelände. Die denkmalgeschützte ehemalige „Trauerhalle Havkenscheid“ des Bochumer Stadtbaumeisters Ferdinand Keilmann (1907-1979), dieses eindrucksvolle Gebäude im architektonischen Stil des Brutalismus, wurde zur Fritz Bauer Bibliothek umgebaut. Schon rein baulich ist es ein Gegenmodell zur nazistischen Architektur am Haupteingang des Bochumer Hauptfriedhofs. Auf 5.000 qm entsteht jetzt hier, rund um unsere Bibliothek, ein Zentrum für Menschenrechte, das in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Gräbern von über 2000 Zwangsarbeitern und zum Mahnmal für die Bochumer Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus seine Arbeit aufnimmt. Hier finden künftig Forschungsseminare und Workshops ebenso wie Ausstellungen statt, hier wird durch Kunst und Kultur die Universalität der Menschenrechte zu Wort kommen.

Und damit bin ich wieder am Anfang und meinem herzlichen Dank, der heute besonders an Dorothee Schäfer und die Künstlerinnen und Künstler geht, die durch ihre aussagekräftigen Werke unser Projekt in seinem Sinn bestärken. Was könnte es Schöneres und Wegweisenderes geben! Lassen wir uns durch ihre Arbeiten inspirieren und ermutigen, so dass ab jetzt von dieser Fritz Bauer Bibliothek das Signal ausgeht:

Jede und jeder kann etwas tun, um Rassismus, Antisemitismus und als deren Kehrseite Nationalismus ein klares NEIN entgegenzusetzen. Jede und jeder kann an seinem persönlichen Ort, ob zu Hause oder im Beruf, ob in der Schule, in der Ausbildung oder im Alltag, auf der Straße, im Gespräch mit Bekannten oder Unbekannten seine Stimme gegen jede Art von Unrecht erheben.

Konkreter gesagt:

Lasst uns die Menschenwürde bestärken und jede Verletzung der

Menschenrechte in Verruf bringen, deren Erklärung aus der Erfahrung des Nationalsozialismus geboren wurde. Lasst sie uns nicht anderen überlassen, die die Demokratie für ein Versprechen von Recht und Ordnung und Sicherheit missbrauchen wollen, was in Wirklichkeit niemand nützt und nur dem eigenen Machterhalt dienen soll.

Die Lehre aus den NS-Prozessen, sagte Fritz Bauer, lautet: Ihr hättet NEIN sagen müssen. Sagen wir also öfter NEIN zu jeder Art von Geschichtsverdrehung und auch zu der Kriminalisierung zivilen Ungehorsams, wie wir dies gegenüber der „Letzten Generation vor den Kipppunkten“ aktuell erleben.

Erinnern ist Widerstand, dieses Signal geht von der Fritz Bauer Bibliothek, von diesem Ort, jetzt aus. Für und von allen, die nicht nur aus Staatsräson erinnern wollen, sondern die sich unter persönlichen Risiken für eine gerechtere und bessere Welt einsetzen und kämpfen, gleich wo auf unserem ebenso bedrohten wie wunderbaren Planeten.

Ich danke Ihnen und Euch nochmals und jetzt, liebe Dorothee Schäfer, darf ich Dich als Kuratorin einladen, zu uns zu sprechen. Danach wird die Grupo Manzanar lateinamerikanische Musik für uns spielen und wir werden dabei auch noch mehr über den Sänger Víctor Jara und die Skulptur erfahren, die ihm zu Ehren hier steht.

11. August 2023

Kontakt: info@fritz-bauer-forum.de

Headerbild: Richard Lensit (Bochum) © BUXUS STIFTUNG|Fritz Bauer Forum

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